Dr. Thomas Ogger | Lassen Sie mich mit einer Ode des Ḥāfiz-Verehrers Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) beginnen. Sie stammt aus dem »Buch Hafis« im West-östlichen Divan und weist beiläufig darauf hin, wie der deutsche Dichter selbst Ḥāfiz verstanden und dementsprechend interpretiert hat:
Offenbar Geheimniß
Sie haben dich heiliger Hafis
Die mystische Zunge genannt,
Und haben, die Wortgelehrten,
Den Werth des Worts nicht erkannt.
Mystisch heißest du ihnen,
Weil sie närrisches bey dir denken,
Und ihren unlautern Wein
In deinem Namen verschenken.
Du aber bist mystisch rein
Weil sie dich nicht verstehn,
Der du, ohne fromm zu seyn, selig bist!
Das wollen sie dir nicht zugestehn.
Diese Ode zählt sicherlich mit zu den Gründen, warum Ḫwāǧe Šams ad-Dīn Muḥammad Ḥāfiẓ-i Šīrāzī, wie er mit vollem Namen heißt, einer der am meisten gegenwärtigen Dichter und Denker aus dem Orient ist, obwohl er bereits 1389 diese Welt verlassen hatte. Seit dem Staatsbesuch des damaligen iranischen Präsidenten Ḫātamī im Jahre 2000 ist er sogar beinahe konkret fassbar. Er blickt seither in Weimar seinem einige Jahrhunderte später geborenen »Zwillingsbruder im Geiste«, wie Goethe sich selbst ihm gegenüber bezeichnete, genau ins Gesicht. Beide sitzen sich auf granitenen Stühlen gegenüber, wobei der eine in Richtung Westen, der andere in Richtung Osten schaut.
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