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Was ist im Iran los? Volksaufstand oder Regime Change made in USA?

Von Dr. Markus Fiedler | Seit dem Tod der 22-jährigen kurdischen Iranerin Mahsa Amini am 16.9.2022, die angeblich nach Polizeigewalt verstorben sei, berichten westliche Medien über Massendemonstrationen im Iran, malen das Bild eines Volksaufstandes gegen das „Mullah-Regime“, behaupten, dass das islamische System jeden Rückhalt in der Bevölkerung verloren habe und kurz vor dem Sturz stehe. Der Protest sei vor allem auch ein Protest der Frauen, die sich mutig gegen das „Regime“ stellen würden. Die deutsche Außenministerin und andere deutsche Politiker geben sich empört, fordern neue Sanktionen gegen den Iran und der Grünen-Vorsitzende Nouripour (Mitglied der „Atlantik-Brücke“[1]) fordert u.a. auch ein Vorgehen gegen die Imam-Ali-Moschee in Hamburg. Was ist von all dem zu halten?

Warum sollte man gegenüber der Berichterstattung in den Medien skeptisch sein?

Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass die USA seit Langem gezielt den Iran destabilisieren und ganz offen einen „Regime Change“ im Iran anstreben. So bewilligt der US-Kongress schon seit Jahren die Ausweitung der verdeckten Operationen und ihre Finanzierung mit jährlich 400 Millionen US-Dollar.  Die US-Zeitschrift Counterpunch berichtete, dass es das Ziel der verdeckten Operationen sei, „die (iranische) Regierung durch Regimewechsel zu destabilisieren“.[2] Jeder Anlass wird in diesem Sinne ausgenutzt – Ziel ist es, Massenproteste auszulösen und einen Umsturz herbeizuführen. Die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Destabilisierung eines anderen Landes und verdeckte Operationen sind natürlich völkerrechtswidrig, was die deutsche Außenministerin in diesem Fall aber nicht interessiert, dazu später mehr.

Bei der Berichterstattung in den deutschen „Qualitätsmedien“ sollte man wissen, dass diese von transatlantischen Netzwerken kontrolliert werden und daher im Interesse der Ziele der US-Außenpolitik berichten.[3] Im Hinblick auf die Berichte über die aktuelle Situation im Iran fällt zudem auf, dass sich diese oft auf IranWire beziehen, was jedoch alles andere als eine neutrale Quelle ist. IranWire ist eine Organisation, die einen Regime Change im Iran anstrebt und deren Gründer Bahari im Verdacht steht, bereits 2009 eine US-gesteuerte Farbenrevolution im Iran unterstützt zu haben.

Starb Mahsa Amini durch Polizeigewalt im Iran?

Mahsa Amini starb am 16.9., nachdem sie dort von der „Moralpolizei“ festgenommen wurde. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Todesumstände. Weil Amini ihren Hijab nicht regelkonform getragen hatte, wurde sie auf ein Polizeirevier gebracht, wo sie als Strafe eine einstündige „Aufklärungs- und Schulungsmaßnahme“ ableisten sollte.  

Die Polizei in Teheran nennt die Vorwürfe im Hinblick auf die Todesumstände „grundlos“ und bestreitet jede Form der Gewalt gegen Amini – Amini habe bei der Schulungsmaßnahme plötzlich Herzprobleme bekommen. Natürlich ist auch hier Skepsis angebracht. Inzwischen wurden jedoch ein Video aus dem Schulungsraum veröffentlicht (zu sehen u.a. im sehenswerten Beitrag von Actuarium auf YouTube), das die Teilnehmer der Maßnahme sitzend in einem Schulungsraum zeigt – der Raum wirkt sicherlich nicht wie ein Folterzentrum. Während die Gesichter der anderen Teilnehmer unkenntlich gemacht wurden, ist Amini in dem Video deutlich erkennbar. Sie sitzt zunächst auf einem Stuhl und steht dann auf, um zu einer Gruppe Diskutierender zu gehen. Man sieht, wie sie sich plötzlich an den Kopf fasst, an einem Stuhl festhält und dann kollabiert. Den anderen Teilnehmern scheint der Ernst der Situation wohl zunächst nicht klar, Dann sieht man, wie sie in einen Rettungswagen transportiert wird. Von prügelnden Sittenpolizisten keine Spur. Eine Fälschung dieses Videos erscheint kaum möglich, auch würden ja die vielen möglichen Zeugen in dem Video ein großes Risiko darstellen.

Volksaufstand im Iran?

In der Folge wurde versucht, im Iran die Empörung anzuheizen, Unruhen anzustiften und die Situation in einen Regime Change überzuführen. Nach IranWire wurde Amini schon im Kleinbus von der Polizei geschlagen und dann auf dem Revier weiter misshandelt. Westliche Medien haben dies übernommen, und Zeitungen (wie z.B. der „Guardian“) erschienen mit der Schlagzeile, dass Amini durch die Schläge der Polizei bzw. Polizeigewalt ums Leben gekommen sei – auch deutsche Medien übernehmen dies oder legen dies zumindest nahe.

Bei all den Videos, die seitdem über Proteste aus dem Iran zu uns gelangen, muss man wissen, dass es zahlreiche Fake-Videos gibt. Unterschiedliche Oppositionsgruppen wollen glauben machen, dass sie erfolgreich Massendemonstrationen organisieren, die Polizei zurückdrängen und sogar ganze Städte unter Kontrolle bringen. Es gibt ein unfreiwillig komisches Video, in dem neben einer Frau, die soeben die „Befreiung“ Maschhads verkündet, ein milder lächelnder Polizist auftaucht und sich die Frau danach verzieht.[4] Weiterhin gibt es viele Videos mit randalierenden jungen Männern, die Plakate oder irgendwelche Gegenstände zerstören – dies entspricht nicht gerade dem westlichen Narrativ, dass es sich v.a. um einen Aufstand der Frauen handeln soll. Auch geht die darin zu sehende Gewalt nicht von den Sicherheitskräften aus.

Wie sieht es nun aktuell im Iran aus? Von verschiedenen Seiten, u.a. von einem vertrauenswürdigen Professor aus Teheran wurde mir berichtet, dass es Proteste gibt, aber dass es zumeist kleine Gruppen seien. Dies sei kein Vergleich mit den großen Demonstrationen von 2009 (wo es um eine angebliche Wahlfälschung ging). Ein Umsturz sei nicht zu befürchten.

Es spricht in der Tat momentan alles gegen einen erfolgreichen Regime Change. So gibt es keine bekannten Führungsfiguren der Opposition, die im gesamten Land bekannt sind. Weiterhin verfügt die Systemopposition über kein Programm. Ihre Rufe nach einem direkten Eingreifen die USA haben die Bewegung weiterhin in weiten Teilen der Bevölkerung diskreditiert. Außerdem beweisen die gewaltigen Massendemonstrationen für die Islamische Republik, dass das islamische System über einen großen Rückhalt in der Bevölkerung verfügt. Diese Demonstrationen wurden im deutschen Fernsehen natürlich nicht gezeigt.

Doppelmoral und Heuchelei deutscher Außenpolitik

Wenn zahlreiche deutsche Politiker, allen voran die deutsche Außenministerin, nun im Zuge einer „wertebasierten Außenpolitik“ und aus moralischen Gründen Sanktionen gegen den Iran fordern, kann man ihnen nicht oft genug Doppelmoral bescheinigen. So besuchte der deutsche Bundeskanzler Scholz vor Kurzem Saudi-Arabien und traf sich mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Dabei kann dem saudischen Kronprinzen immerhin ein Auftragsmord nachgewiesen werden. Von türkischen Erkenntnissen aus der Überwachung des Konsulats über die Ergebnisse einer UN-Untersuchung bis hin zu Abhörergebnissen der befreundeten US-Dienste sprechen alle Indizien dafür, dass bin Salman persönlich den brutalen Mord am saudischen Journalisten Khashoggi angeordnet und der Geheimdienst ihn ausgeführt hat. Weiterhin führt Saudi-Arabien seit 2015 einen Angriffskrieg im Jemen, bombardiert Krankenhäuser und Infrastruktur, setzt den Hunger als Kriegswaffe ein. Die UNO spricht von der größten humanitären Katastrophe der Nachkriegszeit. Deutsche Medien berichten de facto nicht darüber, ist doch Saudi-Arabien ein wichtiger US-Verbündeter in der Region. Und für die USA und ihre Verbündeten gelten in der „regelbasierten Weltordnung“ immerhin andere Maßstäbe. Haben Sie, verehrte Leserin oder Leser, schon einmal gehört oder gelesen, dass Saudi-Arabien in den deutschen Medien als „Regime“ bezeichnet wird? Solche Formulierungen werden nur für Staaten verwandt, die den US-Interessen entgegenstehen („Mullah-Regime“, „Assad Regime“). Es kann wohl niemand bestreiten, dass der Iran selbst nach westlichen Maßstäben demokratischer als Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Katar ist. Gegen diese Staaten werden aber keine Sanktionen gefordert. Das richtet sich offenbar danach, ob dies im US-Interesse ist oder nicht. Und so verhält es sich auch im Hinblick auf den angeblichen „Volksaufstand“ im Iran. Wer hat ein Interesse daran, einen solchen zu inszenieren?

[1]     Eine 1952 u.a. vom US-Hochkommissar in Deutschland, John McCloy, gegründete Organisation, die das Ziel verfolgt, die deutschen Eliten eng an die USA anzubinden.

[2]     https://taz.de/Bericht-ueber-geheime-USA-Operationen-im-Iran/!5179713/

[3]     Sehenswert dazu: https://www.youtube.com/watch?v=y_bmegfMyVI

[4]     Ausschnitt am Ende des folgenden Videos zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=vSp_SBza1lk

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