Dr. Gabriele Dold-Ghadar
Pers-Andalus: Iranische Kulturdenkmäler in „al-Andalus al-agsa“
Andalusien verfügt über ein historisches und kulturelles Erbe, das traditionell als „maurischarabisch“ bezeichnet wird.
So fühlte ich mich mit meiner Thesis „Pers-Andalus: Iranische Kulturdenkmäler in „Al-Andalus al-aqṣā“: Bewertung der Forschungsergebnisse für das 8.-12. Jahrhundert“ zunächst wie der berühmte „einsame Rufer in der Wüste“, der dabei war, sich „zwischen alle Stühle “ zu setzen: Das Gros der Wissenschaftler schien sich nicht als für den iranischen Anteil an der andalusischen Kultur „zuständig“ zu halten: Weder die Vertreter der Islamwissenschaften, die sich besonders auf „arabische“ Wurzeln kaprizierten, noch die Iranisten, die sich entweder mit „inner-iranischen“ vorislamischen und islamischen Aspekten oder aktuellen Themen des Iran befassten. Man empfahl mir im Vorfeld sogar, einen Beweis dafür zu führen, dass KEINE iranischen Spuren im „äußersten Westen“ zu finden seien.
Obwohl die wissenschaftliche Forschung viel dazu beigetragen hat, Mythen und Vorurteile auszuräumen und durch gesicherte Erkenntnisse zu ersetzen, konzentrierten sich die meisten Studien bezüglich der spanischen Halbinsel ausschließlich auf muslimisch-arabische, jüdische und seit kurzem auch berberische Relikte. Wenig Aufmerksam wird dagegen bis heute iranischen Spuren geschenkt: Arabisch als Verkehrssprache im riesigen Wirtschaftsraum zwischen Khorāsān und Córdoba und die Unkenntnis der wahren Wurzeln von Namen, Begriffen und Gewohnheiten führten bei der Untersuchung verschriftlichter Kulturzeugen üblicherweise zum Rückschluss auf arabische Provenienz.
Differenzierte Betrachtung und Spezifikation aber erbrachte bei der Untersuchung philologischer und architektonischer Denkmäler, ihrer Überträger, der Schnittstellen und Wege des direkten und/oder indirekten Kulturtransfers zwischen den „Kultur-Gebern“ im Osten und den „Empfängern“ im Westen und den angrenzenden Regionen erstaunliche Ergebnisse. Dabei wurde manch liebgewordene Vorstellung über Eroberung, Besatzung und das tägliche Leben unter der maurischen Herrschaft als unzutreffend erkannt. Nicht nur musste Anerkennung finden, dass ein großer Teil der muslimischen „Araber“ in alAndalus nicht-arabischer Abstammung war, auch das migrierte iranische Erbe aus den islamischen Kerngebieten bekam seinen angemessenen Stellenwert.
Wissenstransfer und Migration zwischen den intellektuellen Zentren GondiŠapÚr/Sura/Pumbeditha und Córdoba sowie lebhafte perso-mediterrane Wirtschaftsbeziehungen offenbaren die „Kulturvermittler“: Wissenschaftler, Geistliche, Kaufleute und Künstler, die sich „zwischen den Welten“ bewegten: vom Iran über Mesopotamien, Ägypten, an der nordafrikanischen Küste entlang bis Spanien. Enge internationale Familienbeziehungen der Fernhändler sind durch die Kairiner Geniza gut dokumentiert – auch persische Termini des Handels und Bankwesens innerhalb des „Binnenmarkts Mittelmeer“ sind uns bekannt.
Persische Einflüsse erreichten al-Andalus auch durch die Ströme des Militärs „von Balkh nach Tanger“ – über die abbasidischen „Gärtanks“ Kufa und Basra mit ihren angegliederten Außenposten in Khorasan. Die Karrieren der von dort stammenden nordafrikanischen Provinzgouverneure sind bekannt und die Zusammensetzung der Divisionen der sogenannten „ägyptischen Heere“ mit ihren iranischen Einheiten (Asawira, Abna und Hamra Daylam) und Militärführern durch Patronyme detailliert überliefert. Auch die iranischen Feste Noruz und Mehragan, die in al-Andalus gefeiert wurden, sind Mosaiksteine des iranischen Erbes auf der Halbinsel und die Architektur gibt reichlich Zeugnis von übermittelter iranischer Bauwerkskunst und iranischem Know-How von Samarqand über Gibraltar bis Andalusien: Kuppelkonstruktionen auf quadratischem Unterbau, persische Ziegelarchitektur, polylobe Bögen, kreuzende Rippensektoren, Hufeisenbögen, sasanidische Granatapfel-Motive.