Es gibt Leute, die tüchtig an dem Schmuggel von Kulturerbe verdienen wollen und solche, die sich mit Leib und Seele für den Schutz des Weltkulturerbes einsetzen, wie Chaled Asad.
Früher haben einzelne professionelle Diebe Kulturgut gestohlen und verkauft und heute sind es internationale Banden, die das Schmugglergeschäft mit Antiquitäten betreiben. Nach dem Drogenschmuggel soll dieses Geschäft den meisten Gewinn einbringen.
Das Kulturerbe der Völker zeugt für die Geschichte ihrer geistigen Ursprünge. Es macht die verschiedenen Aspekte der Kulturen und des Brauchtums, der Lebensweise und der wissenschaftlichen Entwicklung sichtbar.
Der Schmuggel mit Kulturgütern verläuft in der Regel organisiert und nicht selten wird mit dem Profit aus diesem Geschäft Terrorismus finanziert. Also gerät auch die politische Souveränität der Länder durch solche Schmuggler in Gefahr. Die Nachfrage nach Schmuggelgegenständen hat zur Folge, dass in vielen Ländern mit langer historischer Vergangenheit, ohne Beachtung der archäologischen Regeln, Ausgrabungen stattfinden. Dabei werden die Bodenschichten am Ausgrabungsort zerstört und die Deutung der Vergangenheit schwieriger. Gemäß den archäologischen Regeln kann ein historischer Gegenstand nur im Zusammenhang mit dem Boden, auf dem er entstand und später gefunden wurde, geschichtlich eingeordnet werden. Aber bei den meisten geschmuggelten Gegenständen mit historischen Wert fehlen solche zugehörigen Informationen. Viele wissenschaftliche, historische und volkskundliche Informationen über diese Gegenstände sind daher durch den Schmuggel verloren gegangen und sie besitzen nur noch einen materiellen Wert.
Es gibt mehrere Gründe für das Interesse am Schmuggel von Kulturerbe, unter anderem: der Profit bei diesem Schmuggel, schlechte Einkommensverhältnisse in Gegenden mit Ausgrabungsstätten, oder auch politische Ziele oder aus Fanatismus hervorgehende Konflikte. Der Krieg und die Unruhen der letzten Jahre, von denen Syrien und Irak betroffen waren, haben neben den bedauerlichen Menschenverlusten in den betroffenen Gebieten, auch große Probleme für das historische Kulturerbe dieser beiden Länder heraufbeschworen. Einerseits hat die IS-Terrorbande einen großen Teil historischer Denkmäler in beiden Ländern zerstört und andererseits haben Schmuggler die zurückgebliebenen Teile dieses Kulturerbes geplündert und verkauft. Daher sind nach einiger Zeit viele dieser historischen Gegenstände in Europa und den USA aufgetaucht und wurde von Sammlern aufgekauft. Gemäß der UNESCO wurden auf dem illegalen Markt für historische Gegenstände, Antiquitäten im Werte von mehreren Millionen Dollar gehandelt.
Ein Hindernis für die Zurückholung gestohlener Gegenstände aus dem Ausland besteht darin, dass es keine ausreichende Durchführungsgarantie für die internationalen Konventionen über die Auslieferung von historischen Kulturgegenstände gibt. Diese Konventionen sind im Grund nichts mehr als Empfehlungen, welche nur die Mitgliedsländer befolgen müssen. Bislang haben sich nur 107 Länder der Konvention von 1970 über die Regelung des Verbotes und der Verhinderung der Ein- und Ausfuhr und der Besitzübertragung von Kulturgütern angeschlossen. Unterdessen beachtet ohnehin keine Terrorgruppe Gesetze oder Verträge, und dies verschlimmert die jetzigen Schmuggelverhältnisse nur noch mehr. Laut einem Bericht namens „weltweiter Schritt gegen organisierte internationale Verbrechen“, welcher 2020 veröffentlicht wurde, hat die IS-Terrorbande alleine schon im Jahre 2015 circa 20 Millionen Dollar an dem Verkauf von antiken Gegenständen verdient, die bei illegalen Ausgrabungen oder mit Bulldozern oder mit Hilfe von Dynamit ans Tageslicht kamen.
Experten auf dem Gebiet des Kulturerbes sagen, dass es geheime Museen gibt, in denen die antiken Gegenstände landen, während Käufer und Verkäufer ganz offen im Internet werben und mit wertvollen Gegenstände handeln, von denen keiner weiß was mit ihnen passieren wird.
Es gibt auch einige Länder, die keine besonders lange Zivilisationsgeschichte besitzen, und daher auf verschiedenen Wegen, zum Beispiel durch den Kauf von geschmuggelten Kulturerbe anderer Länder, für sich selber eine Geschichte konstruieren wollen oder die Geschichte und den Ruhm anderer Völker für sich registrieren möchten. Sie zahlen dafür den Schmugglern und sogar Museumsdieben ein Riesengeld. So sind einige Anrainerstaaten des Persischen Golfes in den letzten Jahren auf die Idee gekommen, traumhafte Museen einzurichten. Zwei Beispiele liefern das Museum für Islamische Künste in Doha, der Hauptstadt von Katar, welches 2008 eröffnet wurde und das 2017 gegründete Museum – Abu Dhabi Louvre – in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Diese Länden wetteifern miteinander um die Einrichtung von Museen und haben die künstliche Konstruktion einer Identität ins Auge gefasst. Sie haben die Angelegenheit außerdem politisiert, indem sie den Persischen Golf umbenannt haben. Ihre architektonisch beeindruckenden Museen sollen viele Touristen anziehen. Sie benötigen viele Ausstellungsgegenstände und der Schmuggel ist ein Weg um solche zu besorgen.
Ein weiteres Motiv für den Schmuggel mit Kulturerbe liefert der finanzielle Kreislauf auf dem Weltmarkt für Kulturgegenstände und die internationalen und regionalen Auktionen. Jedes Jahr sind wir Zeuge von Auktionen für kulturelle und historische Güter und sehen dass einige Personen, die anonym bleiben, Millionen von Dollar für den Kauf von solchen Bestandteilen des Kulturerbes und für Meisterwerke der Kunst hergeben. Die Existenz eines solchen Marktes gibt den Schmugglern noch mehr Ansporn und fügt dem Weltkulturerbe irreparable Schäden zu.
Iran ist wegen seiner langen Zivilisationsgeschichte immer schon eines der großen Opfer von illegalen Ausgrabungen und dem Schmuggel von historischen Kulturgegenständen gewesen. Einer der größten Raubzüge der letzten Jahrzehnte ereignete sich in dem Gebiet Dschiroft im Süden Irans. Zahlreiche Fundgegenstände, die mehr als 5 Tausend Jahre alt sind, tauchten auf den Weltmärkten auf. Jedoch gelang es dem Iran 1390 einen Gerichtsprozess in England zu gewinnen. Zugunsten des Irans wurde das Urteil zur Rückgabe einer Anzahl von Gegenständen, die in Dschiroft entwendet und nach England geschmuggelt worden waren, gefällt. Es war geplant gewesen, diese Gegenstände in einer Auktion namens Barakaat zu versteigern.
Aber die Rückerstattung der historischen Gegenstände ist gerichtlich und gesetzlich gesehen ein sehr langer und komplizierter Prozess und außerdem besteht nur für einen sehr geringen Teil der entwendeten Gegenstände eine Chance auf Rückkehr in ihr Herkunftsland. Die Sammler und einige Museen in Ländern wie USA, England, Frankreich und Deutschland sind immer dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie keinen ernsthaften Widerstand gegen den Schmuggel von historischen Gegenstände zeigen.
Ein Teil der antiken Gegenständen aus der historischen Gegend Dschiroft im Südiran, welche ins Ausland geschmuggelt worden sind und gemäß Gerichtsurteil ausgeliefert werden müssen
Doch was ist zu tun?
Zunächst müssen die Medien die Bevölkerung aufklären und ihr die Bedeutung der antiken Gegenstände und des Kulturerbes vermitteln. Es muss in die Bildung und die Unterstützung von nicht-staatlichen Organisationen, die sich für das Kulturerbe einsetzen, investiert werden. Die Unterstützung für relevante Bürgerinitiativen ist ein wirksamer Weg um die Bevölkerung mit zu beteiligen.
Auf nationaler Ebene muss die Polizei jedes Landes sich an Interpol bei der Bekämpfung des Schmuggels von Kulturgütern wenden. Interpol übernimmt eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von organisierten Verbrechen und gibt der nationalen Polizei der Staaten in der Praxis einen wichtigen Rückhalt. Für den Schutz des Kulturerbes werden unter anderen folgende Wege vorgeschlagen:
Praktische und Verwaltungsmaßnahmen und eine Strategie zur Verhütung und Bekämpfung von Schmuggel und Integrierung dieser Strategie in die internationale Strategie zum Schutz des Kulturerbes, Ergänzung der Liste mit Kulturgegenstände und antiken Stätten und Verhinderung der illegalen Ausgrabungen.
Weitere Maßnahmen gegen Schmuggel und Raub von Kulturerbe , die ins Auge gefasst werden müssen, sind Verwaltungspläne für historische Stätten unter Einbeziehung von Sicherheitsvorkehrungen und eine bessere Überwachung von diesen Stätten und von Museen, verstärkte Kontrollen an den Grenzen, Aktualisierung der statistischen Daten über Diebstahlfälle und illegale Importe und Exporte sowie Maßnahmen zur Verhinderung eines on-line-Verkaufs von Kulturerbe.
Wirksame Maßnahmen gegen Schmuggel mit Gegenständen aus dem Kulturerbe können auch entsprechenden Speziallehrgänge für das Polizeipersonal, die Korrektur von Gesetzen für Schutz und Verwaltung von Kulturerbe und die Verschärfung der Strafen bei Diebstahl von Kulturerbe sowie das Verbot des Kaufes von Kulturerbe, welches auf ungesetzlichem Wege in ein Land gelangt ist, sein.
Mit diesem mehrteiligen Beitrag wollten wir einen näheren Überblick über die Situation und die Möglichkeiten zur Bewahrung des Erbes unserer Vorfahren für die kommenden Generationen geben. Wenn wir zu der Überzeugung gelangen, dass alle für den Schutz dieses Erbes verantwortlich sind, werden die Anstrengungen derjenigen, die für diese Sache ihr Leben geopfert haben, nicht umsonst gewesen sein. Zum Beispiel das Engagement von Chaled Asad, einem syrischen Archäologen.
Über 50 Jahre lang war Chaled Asad für den Schutz der antiken Denkmäler in der Stadt Palmyra verantwortlich aber er wurde 2015 von der IS-Terrorbande enthauptet und seine Leiche wurde an einer der Säulen auf dem Hauptplatz dieser Stadt aufgehängt. Chaled Asad wurde getötet, weil er sich geweigert hatte, den Terroristen zu sagen, wo die wertvollen historischen Gegenstände von Palmyra aufbewahrt werden. Dieser bestialische Mord war nur eines der zahllosen Verbrechen, welche die IS-Terrorbande während der zweimaligen Herrschaft über die historische Anlage in Palmyra, die von der UNESCO als Weltkulturerbe betrachtet wird, begangen haben.
Als die IS-Meute sich Palmyra näherte, hatten die Kinder von Chaled Asad auf Wunsch ihres Vaters eine große Zahl von wertvollen Gegenständen, die sich im Museum der Stadt befanden, nach Damaskus mitgenommen. Aber Chaled Asad beharrte darauf, in der Stadt zu bleiben. Er sagte: „Ich komme aus Palmyra und ich werde hier bleiben, selbst wenn sie mich umbringen.“ Der Sohn von Chaled Asad zitiert seinen Vater, der zu sagen pflegte: „Ich werde im Stehen sterben, wie die Palmen von Palmyra.“