Chosrou und Schirin ist u.a. eines der fünf Epen in in Nizamis Werk Chamsa. Das romantische Epos in Nizamis Werk Chamsa hat die Liebe des persischen Königs Chosrau II. Parwez zu Schirin zum Gegenstand hat. Das Gebet Schirins gilt als eines der schönste Teile daraus. Es wurde von Prof. Annemarie Schimmel in Reimform ins Deutsche übertragen:
O Herr, lass meine Nacht zum Tage werden
und lass mich strahlend gleich dem Tage werden!
Der Morgen hoffnungslos, und schwarz die Nacht;
O gib, dass mein Gesicht wie Sonnen lacht!
Mein Gram ist so, dass Helden ihm erliegen;
Lass mich, wie Freude, diesen Gram besiegen!
Nicht länger trag‘ den Druck ich, das Bedrängen;
Lös mich wie den Rubin aus Felsenengen!
Du bist der Freund, zu dem sie alle klagen –
O bring Erlösung mir in meinem Klagen!
Ich kann nicht mehr in diesem Gram bestehen –
Hilf, Helfer aller, die um Hilfe flehen!
Bei aller unterdrückten Kinder Tränen,
Bei aller tiefgebeugten Greise Sehnen,
Beim Straßenrand, wo arme Wandrer schliefen,
Beim Schweigen derer in des Kerkers Tiefen,
Beim Ruf „Gerechtigkeit!“ der Angeklagten.
Beim Ruf „O Herr! O Gott!“ der Schuld geplagten,
Beim reinen Saume der‘, die dich anbeten,
Die kennen das Geheimnis der Propheten,
Bei dem Bedürft’gen, dem das Tor verschlossen,
Bei den Verwundeten, blutübergossen,
Bei jedem, der von Haus und Hof getrennt,
Den seine Karawane nicht mehr kennt,
Bei Litanei’n im Mund von Schulbeginnern,
Beim Seufzer aus verbrannter Herzen Innern,
Beim Licht – (verhüllt ist noch der Welt sein Strahlen),
Bei deiner Wohltat, jenseits aller Zahlen,
Beim wahren Wort des Mönchs in seiner Zelle,
Bei dem Erfolg aus alles Guten Quelle,
Bei Eremiten, die Verdienst erworben,
Bei jungen Kindern, die noch nicht verdorben,
Bei jeder Stärke, die dir lieb und wert ist,
Bei jedem Beten, das bei dir erhört ist,
Bei jedem Seufzer, nahe deinem Thron.
Bei jenem Namen, höher als dein Thron:
Erbarm dich über mein zeriss’nes Herz.
Hilf mir aus diesem Wirbelsturm von Schmerz!
Ja, würde jedes Haar von mir zu Zungen,
Mit jedem würde dir dein Lob gesungen!
Noch schlumm’re stumm ich, und ich fasse kaum
Des hundertfachen Dankes fernen Saum.
Du bist es, neben dem nichts andres ist;
Du bist das Sein, und Nichts das andre ist.
Du bist verschleiert in der Einheit Hülle,
Du gibst den Sphären Kraft, du, Macht und Fülle!
Nicht Anfang hat dein Gott-Sein und kein Ende –
Wer wär‘ es, der das Erste, Letzte fände?
Mit Furcht und Hoffnung darf zu deinen Hallen
Man nur in williger Ergebung wallen.
Du schufst die Sphären, und du lässt sie kreisen,
Du gabst die Welt, die Seele, und die Speisen.
Ob du uns nährst, die Seele uns entreißt:
Du weißt’s am besten – tue, was du weißt!
Ich lebe so durch deine Gunst und Gaben –
Lass mich denn eine neue Gunst noch haben:
Was du verhängen magst und was entscheiden:
Schaff mir ein Herz, es freudig zu erleiden!
Doch welches Urteil immer du magst geben.
Wir nehmen’s an, sei Tod es oder Leben.
Ich leide, bin ein Stäubchen, bin erschlafft:
Gib mir nicht Schmerzen über meine Kraft!
Von mir kommt nichts, was mir zu tun gebührt:
Von dir kommt, Schöpfer, was von mir nicht rührt.
Erfreu noch einmal mich mit deinen Gaben,
Du schenktest schon die Fülle deiner Gnaden!
Wollt‘ ich verbergen mein geheimes Sorgen:
Wie könnte ich’s? Denn du weißt, was verborgen!