Die ehemalige nordpersische Ruinenstadt und jetzige Industriestadt Schahr-e Ray (persisch شهر ری) liegt etwa 15 Kilometer südlich der iranischen Hauptstadt Teheran, die einst selbst ein Vorort von Ray war. Ray wird daher zum Teheraner Ballungsraum hinzugezählt und ist auch an die U-Bahn Teheran angebunden, bildet aber einen eigenen Distrikt der Provinz Teheran.
Ray, als Ort mit heute umstrittener Lokalisation bereits im Avesta als „Raga“ erwähnt, war die älteste Hauptstadt und „heiliges“ Zentrum Mediens, des ältesten iranischen Reiches, wurde jedoch im 8. Jahrhundert vor Christus von Assyrern erobert und unterworfen. Den antiken Griechen und Römern war die Stadt als Rhagai bzw. Rhagä (Rhagae) oder Rhages (Rages) bekannt und wurde auch im jüdischen Buch Tobit erwähnt. Neue Hauptstadt der Meder nach dem Sieg über die Assyrer wurde im 7. Jahrhundert Ekbatana (Hamadan). Entlang der Seidenstraße lag Ray am Kreuzungspunkt der Strecke von Ekbatana nach Herat sowie von Täbris nach Isfahan.
Im 6. Jahrhundert vor Christus von den Persern unter Kyros II. bzw. Dareios I. zerstört, nach der Niederlage gegen Alexander den Großen regierte der letzte Perserkönig Dareios III. noch einige Wochen von Ray über das Restreich. Von Alexanders Nachfolger Seleukos I. wurde Ray wiederaufgebaut und zwischenzeitlich in Europos umbenannt, fiel aber im 3. Jahrhundert vor Christus an die Parther (als Sommerresidenz der Arsakiden in Arsakia umbenannt) und im 3. Jahrhundert nach Christus an die Sassaniden.
Mit dem Fall des Sassaniden-Reiches wurde auch Ray von den Arabern angegriffen, Reste einer Sassaniden-Festung aber sind in Ray noch ebenso erhalten wie das Grabmal Schahr-Banus, einer Tochter des letzten Sassaniden-Schahs Yazdegerd III., die als Ehefrau des Husain ibn ʿAlī die Mutter zahlreicher Sayyids geworden sein soll. Nach einem Erdbeben wurde die Stadt auf Befehl der Kalifen wiederaufgebaut und neubesiedelt, die muslimische Bevölkerung aber allmählich iranisiert. Der Abbasiden-Kalif Hārūn ar-Raschīd soll 765 in Ray geboren worden sein. Im Bürgerkrieg um das Kalifat schlug im Jahre 812 Haruns persischer Sohn al-Ma’mun vor den Toren der Stadt die Bagdader Truppen seines arabischen Halbbruders al-Amin. Ende des 9. Jahrhunderts wirkte der berühmte Mediziner und Philosoph Rhazes in Ray. Die Stadt war schon früh eine Hochburg der Hanafiten. Im 9. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts hingen sie der Naddschārīya an, einer theologischen Lehrrichtung, die auf al-Husain an-Naddschār (gest. 815) zurückging und dogmatisch der Murdschi’a und der Muʿtazila nahestand.
Bereits 874 griff ein zaiditischer Imam aus Dailam Ray an. Im Jahre 932 eroberte dann der Buyide al-Hasan Rukn ad-Daula im Auftrag eines dailamitischen Söldnerführers die Stadt und machte sich selbstständig, seine Nachfolger förderten die Schia. Ray entwickelte sich zu einer blühenden Residenzstadt, in der solche Gelehrte wie der Schiit Ibn Baboye (gest. 991 in Ray), der muʿtazilitische Qādī ʿAbd al-Dschabbār ibn Ahmad (gest. 1044) und der Philosoph Avicenna wirkten.
1023 verdrängte Sultan Mahmud von Ghazni die Buyiden aus Ray. Die Niederlage der Ghaznawiden gegen die Seldschuken (1040) versuchte ein Sohn des letzten Buyiden in Ray zur Restauration seiner Dynastie zu nutzen, doch fiel die Stadt 1041/42 zunächst an den Seldschukenführer Ibrahim Inal und im Jahr darauf an dessen mächtigen Halbbruder Toghril-Beg (I.), welcher sie zu seiner neuen Residenz machte und hier auch verstarb. Bis ins 12. Jahrhundert blieb Ray blühende Residenzstadt unter seldschukischen Teilherrschern, Emiren und Sultanen. Bis zur Zeit des Abbasiden-Kalifen Al-Muqtafi († 1160) beherrschten diese indirekt auch die Metropole Bagdad.
Im 11. Jahrhunderte studierte der ismailitische Schriftgelehrte Hasan-i Sabbah († 1124) in Ray, und es entstand eine ismailitische Gemeinde. Der seldschukische Gouverneur Abbas ließ um 1145 ein Massaker an den Ismailiten verüben und soll Türme aus den Schädeln der Getöteten errichtet haben lassen. 1186 wurden Teile der Stadt bei erneuten Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten zerstört. Der letzte Sultan aus der Linie der Großseldschuken, Toghril III., residierte in Ray und erlag hier 1194 schließlich dem Choresm-Schah Tekisch.
Teheran als Nachfolger
Im Jahr 1220 erhoben sich die Ismailiten erneut, der Choresm-Schah ertränkte den Aufstand in einem weiteren Massaker. Von einer dritten Zerstörung durch die Mongolen, denen Ray 1221 erbittert Widerstand geleistet hatte, erholte sich die Stadt nicht mehr. Im Jahr 1400 dann kamen die Mongolen wieder, diesmal unter Timur Lenk. Gegen Schah-Rukh († 1447 in Ray), den Nachfolger des Mongolen Timur in Herat, erhob sich der Kurde Nurbasch zum Mahdi, ehe auch er 1464 in Ray verstarb.
Die Ruinen der Stadt verfielen, ihre Steine wurden von den Überlebenden im nahegelegenen Teheran verbaut, das faktisch die Nachfolge Rays als regionale Metropole des nichtarabischen Irak (Iran) antrat. Doch erst 1796 wurde Teheran unter den Kadscharen auch Hauptstadt des geeinten Gesamtreiches, und noch Schah Fath Ali ließ sich in der Ruinenstadt Ray durch eingemeißelte Felsreliefs verherrlichen. Der Imamzadeh-Schrein des Sayyids Schah Abd al-Azim wurde 1906 schließlich zum Schauplatz der Konstitutionellen Revolution. 1888 wurde zwischen Ray und Teheran mit der Teheran-Abd-al-Azim Eisenbahn Irans erste Eisenbahnstrecke geschaffen.