Dr. Mehrdad Saeedi | Das Wort Persophonie hat ähnlich den Wörtern Anglophonie oder Frankophonie zwei Bedeutungen, die nebeneinander verwendet werden können: Persischsprachigkeit und persischer Sprachraum. Hier steht die Bedeutung Persischsprachigkeit im Vordergrund, weil dieser Zustand – anders als ein geographischer Raum mit politischen Grenzen – in Zeiten der Migrationsbewegungen und der Digitalisierung allgegenwärtig und herkunftsunabhängig geworden ist. Es handelt sich dabei um einen Neologismus, der vom österreichischen Iranisten, Prof. em. Dr. Bert Fragner (1941–2021) in seiner 1999 beim Berliner Verlag Das Arabische Buch erschienenen Abhandlung Die „Persophonie“. Regionalität, Identität und Sprachkontakt in der Geschichte Asiens geprägt wurde. Mit „Persophonie“ übersetzte Fragner den persischen Terminus „Qalamro-e Zaban-e Farsi“ mit einem einzigen Wort nahezu perfekt und deshalb trägt auch dieser Fachblog und -verlag diesen Namen im Gedenken an den am 16. Dezember 2021 verstorbenen Wiener Iranisten. Da Persophonies nächste Assoziation in den europäischen Kultursprachen einschließlich des Deutschen die fast identisch klingende Göttin der Unterwelt aus der griechischen Mythologie, also Persephone, die Tochter von Zeus und Demeter, ist, soll hier der persische Terminus in seiner Länge neu übersetzt und kurz erklärt werden.
Den dreiteiligen Terminus übersetzt Fragner in seinem o. g. Werk neben „Persophonie“ auch mit „Hegemonialbereich des Persischen“, welches er nur am Rande erwähnt und nicht wie die „Persophonie“ im Primärtitel seines Buches. Diese korrekte Übersetzung gibt zwar die Kernidee eines sog. Sprachraums mit einer dominanten Sprache gut wieder, könnte aber – um die Leserin und den Leser besser in die Welt der persischen Sprache einzuweihen – mit der wörtlichen und dabei ein wenig kreativen Übersetzung „Federreich der persischen Sprache“ erweitert werden, und dies aus folgendem Grund:
Im zusammengesetzten Wort „Federreich“ stecken nämlich zwei wichtige Konnotationen für das Verständnis der langen und komplexen Geschichte der persischen Sprache und Literatur in einem gewaltigen Verbreitungsgebiet von weiten Teilen West-, Zentral- und Südasiens: Die erste Konnotation bezieht sich auf das Bestimmungswort, das Schreibutensil Feder als ein kulturhistorisches Symbol von Schriftlichkeit – im Gegensatz zur Mündlichkeit, die von -phonie impliziert wird – und die Bedeutung des Persischen als Schrift- und Literatursprache vieler Menschen und Völker, deren Erst- oder Muttersprache nicht stets Persisch war, aber in dieser Sprache schrieben und sich darin heimisch fühlten. Und bei der zweiten Konnotation im Hinblick auf das Grundwort Reich handelt es sich um die Bedeutung der persischen Sprache als uralte Königs- und Hofsprache von iranischstämmigen und nichtiranischstämmigen Herrscherdynastien von der Antike über das Mittelalter und die Neuzeit und schließlich bis zum Sturz der letzten iranischen Dynastie, der Pahlavis, durch die Islamische Revolution im Jahr 1979.
Der Fachblog Persophonie wurde im Oktober 2022 in Berlin gegründet, ist aber in seinem Tätigkeitsfeld nicht auf Deutschland oder Iran als zentrales Kernland des persischen Sprachraums eingeschränkt. Der thematisch-inhaltliche Rahmen der Persophonie umfasst vielmehr alles, was von der persischen Sprache und Literatur im persischen und deutschen Sprachraum und zwar im plurizentrisch-plurinationalen Sinne handelt. Damit sind folgende sechs Länder gemeint, angeordnet nach ihrer Bevölkerungsgröße und Landesfläche im jeweiligen Sprachraum: Iran, Afghanistan und Tadschikistan im persischen Raum und Deutschland, Österreich und die Schweiz im deutschen Sprachraum.
Im Fachbolg erscheinen in regelmäßigen Abständen – in der Regel wöchentlich – aktuelle Nachrichten und Berichte, Bucherscheinungen und -vorstellungen, Übersetzungen und sonstige kurze Texte rund um die persische Sprache und Literatur in deren historischen Kernländern Iran, Afghanistan, Tadschikistan, aber auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in denen seit einigen Jahrzehnten auch persischsprachige Menschen in großer Zahl leben und wo eine lange Tradition der akademisch-orientalistischen Beschäftigung mit der persischen Sprach- und Literaturgeschichte vorherrscht.
Die Arbeitssprachen des Fachblogs sind Deutsch und Persisch. Genauer gesagt wird der Fachblog primär in deutscher Sprache geschrieben, aber die Texte erscheinen stets mit einem persischen Abstract und bei Übersetzungen aus dem Persischen wird das Original immer mitveröffentlicht. Folglich sind die Zielgruppen (angehende) deutschsprachige IranistInnen, IslamwissenschaftlerInnen, Zentralasien-ExpertInnen und schließlich auch zweisprachige Menschen mit Persisch als Erst- und Deutsch als Zweitsprache mit Interesse an der persischen Sprache und Literatur. Persophonie versteht sich zudem nicht nur als eine Adresse für Fachleute, sondern auch als einen interkulturellen Raum für die Begegnung der persischsprachigen Menschen aus Iran, Afghanistan und Tadschikistan mit den deutschsprachigen Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, und zwar unabhängig von ihrem bildungsbezogenen und akademischen Hintergrund, aber mit einer Gemeinsamkeit, nämlich das Interesse an der persischen Sprache und Literatur in ihrer Geschichte und Gegenwart.
Der Gründer des Fachblogs ist Dr. Mehrdad Saeedi, angewandter Linguist mit den Arbeitssprachen Persisch, Tadschikisch, Deutsch und Englisch. Deutsch-Iraner. Zweisprachig mit Persisch als Erst- und Deutsch als Zweisprache. Schulbildung in der südiranischen Stadt Shiraz: Abitur und studienberechtigt für die Fächer englische Sprache und Literatur sowie englische Übersetzung. Hochschulbildung sowie Promotion in Halle an der Saale, Göttingen, Heidelberg, Potsdam und Berlin: germanistischer Linguist mit Schwerpunkt Deutsch als Fremd-/Zweitsprache und Iranist mit Schwerpunkt persische Sprache und Literatur in West- und Zentralasien. Zur Zeit tätig als Postdoc-Researcher zur vergleichenden Sprachenpolitik in Deutschland und Iran, Lehrer im Schuldienst für Deutsch und Englisch sowie staatlich geprüfter bzw. ermächtigter Übersetzer für Persisch in Berlin. Gründungsidee dieses Fachblogs ist in der Planungsphase des o. g. Postdoc-Forschungsprojekts entstanden.