Das Nouruzfest ist das antike Neujahrsfest iranischer Völker. Obwohl es schon so alt ist, wird es immer noch begangen. Jemand hat mal gesagt: „Immer wenn wir eine Sache aus dem richtigen Blickwinkel sehen wollen, müssen wir die Vergangenheit so verstehen als wäre es Gegenwart. Daher ist es auch notwendig, die Mythen und die Wahrzeichen der Antike zu kennen.“
Viele heutige Bräuche der Menschen auf der Welt wurzeln in der Vergangenheit und haben im Laufe einer langen Zeit zusammen mit dem Menschen und seiner Denkweise eine Weiterentfaltung erfahren. Zu solchen Bräuchen gehört auch der des iranischen Nouruzfestes, welches über 2500 Jahre alt und mit der Kultur der Iraner vermischt ist. Seit langen Jahren wird das Nouruzfest unter der Bevölkerung im Iran begangen. Das iranische Neujahrsfest Nouruz ist ein vertrauter Gast, der Fröhlichkeit und Freude mit sich bringt. Es ist ein Fest, dass trotz allem Auf und Ab der Geschichte erhalten geblieben ist und dass die Iraner lieben, unabhängig davon welcher Ethnie oder Religion und religiösen Rechtsschule sie angehören. Schon in den Mythen aus dem vorgeschichtlichen Iran gibt es Hinweise auf Feiern zu Nouruz, also aus einer Zeit, die mehrere Tausend Jahre zurückliegt. Doch sollten wir uns zunächst etwas näher mit dem Begriff „Mythen“ befassen.
Was sind Mythen? Das Wort Mythen haben wir schon öfters gehört. Aber was bedeutet es? Mythen ist die Mehrzahl von Mythos und in den Augen einiger spiegelt sich in den Mythen die materielle und geistige Kultur von Völkern wieder. Zugleich werden darunter auch uralte Geschichten, die sich über weite Kulturräume hinweg verbreitet haben, verstanden. Mythen stammen aus den Anfängen der Menschheit. Aus einer Zeit, wo sich der Mensch aufgrund mangelnden Wissens noch viele Erscheinungen in der Natur nicht erklären konnte. Daher versuchte er sie irgendwie zu begründen und mit der Zeit wurden diese Naturphänomene etwas Heiliges, woran die Menschen glaubten. Aus dieser Vorstellung heraus entstanden die Mythen und auch diese galten als etwas Sakrales. Nachdem sie aber in den darauffolgenden Epochen ihre Heiligkeit verloren und durch andere Wertvorstellungen und Überzeugungen ersetzt wurden, verblassten diese Erzählungen. Zusammen mit den Heldenmythen verloren sie ihre Bedeutung und galten unter der Bevölkerung nur noch als Legende oder Märchen. Einige Mythen sind jedoch zum Teil wieder in nachfolgenden Epochen aufgefrischt und belebt worden, darunter der Mythos des nationalen Nouruzfestes.
Es gibt verschiedene Erzählungen über die Entstehung des iranischen Nouruzfestes. Sicher ist jedoch, dass dieses Fest immer im Zusammenhang mit dem Beginn einer neuen Jahreszeit gefeiert wurde. Der iranische Kalender hat in der Vergangenheit mehrmals Veränderungen erfahren. Unter den Achämeniden, die vor Christi Geburt geherrscht haben, hatte der Kalender zwar 12 Monate, aber alle 6 Jahren wurde das Jahr in 13 Monate aufgeteilt. Auch teilten die Zoroaster ihren Kalender in 6 Jahreszeiten auf. Es kam daher bei der Festlegung des Zeitpunktes von Festen zu Problemen. Schließlich hat in der islamischen Ära der Seldschuke Malik-Schah im 11. Jahrhundert nach Christus einen neuen iranischen Kalender eingeführt, gemäß dem Nouruz immer in den Frühling fällt.
Früher war wie gesagt die Einteilung nach Jahreszeiten in den iranischen Kalendern unterschiedlich. Diese Jahreszeiten bezogen sich immer auf den im antiken Iran geltenden Schöpfungsmythos. In der Antike haben die Iraner das Jahr in sechs gleiche Abschnitte gegliedert und waren überzeugt dass Ahura Mazda – der Schöpfergott laut Zoroastrismus – zu Beginn jeden Abschnittes etwas geschaffen habe, zum Beispiel den Himmel, das Wasser, die Erde, die Pflanzen, das Vieh und schließlich den Menschen. Sie glaubten daran, dass Ahura Mazda (auch Hormozd) das Schöpfungswerk in sechs Phasen (Gah) innerhalb eines Jahres vollbrachte und dies war ein Anlass für die Feste, die im antiken Iran zu Beginn einer jeden Schöpfungsphase stattfanden. Diese Feste nannten sich Gahambars. Das Volk pries während dieser Feste Ahura Mazda und dankte ihm für seine Gaben und seine guten Geschöpfe. Jedes Gahambar wurde fünf Tage lang gefeiert. – Übrigens sind die Gahambars im Iran als spirituelles Kulturerbe registriert worden.
Das letzte Gahambar im Jahr war das Gahambar anlässlich der Schöpfung des Menschen und so kommt es, dass Nouruz in der iranischen Mythologie als ein Tag galt, an dem sich die Erschaffung des Menschen, das wertvollste Wesen für den großen Schöpfer sich jährte, und dieser Jahrestag besonders feierlich begangen wurde.
Es gibt viele Sagen, welche die Einführung das Nouruz-Fest in die Zeit des vorgeschichtlichen Königs Dschamschid datieren. Dschamschid war einer der Könige der Pischdadiyan – des ersten Königsgeschlechtes in der iranischen Mythologie gemäß dem Schahnameh von Firdausi. Dschamdschid bestieg den Königsthron zu Nouruz. Er hat zu Nouruz auch die Religion erneuert.
Gemäß einer anderen Erzählung soll Ahriman – die Ausgeburt des Bösen – den Segen von den Menschen genommen haben, so dass die Menschen nicht satt wurden und ihren Durst nicht stillen konnten. Er behinderte den Wind, so dass alle Bäume verdorrten und der Welt der Untergang drohte. Da aber zog Dschamschid auf Befehl Gottes in den Kampf gegen Ahriman und seine Anhänger in die Hölle und bereitete diesem Übel ein Ende. Bei seiner Rückkehr leuchtete Dschamschid wie eine Sonne und die Menschen riefen „ruze no“ – ein neuer Tag – „Nouruz“.
Da gibt es noch viele weitere Sagen und Erzählungen im Zusammenhang mit Nouruz und dem mythischen König Dschamdschid. Wir haben hier zwei davon genannt.
Wie gesagt ist das Nouruzfest ein Brauch, der schon mehr als 2500 Jahre alt wird und noch immer von den Iranern gefeiert wird und fest zu ihrem Leben gehört.
Wie das Fest zur Zeit der Achämeniden und nach diesen unter den Arsakiden begangen wurde, darüber weiß man nicht mehr so viel. Es gibt noch einige Erzählungen und historische Belege aus der Zeit der Achämeniden. So heißt es, dass Kyros, als er über Babylonien siegte, seinen Sohn Cambyses II während des Nouruzfestes zum König des Zweistromlandes erklärte. Außerdem scheint die prächtige Palastanlage von Tachte Dschamschid – von den Griechen Persepolis genannt – extra für die jährlichen Nouruzfeste bestimmt gewesen zu sein. Gesandte von den Völkern der verschiedenen Gebiete, die zum Achämeniden-Reich gehörten, kamen anlässlich dieses Festes und überbrachten Geschenke. Sie stiegen die breite Treppe zur Palastanlage empor, traten durch die Tore ein und zogen an den mit Zinnen versehenen Mauern vorbei um den „Hundert-Säulen-Palast“ zu betreten. Diese Zeremonie ist auf den gut erhaltenen Mauerreliefs von Persepolis abgebildet. Auch das bekannte Relief auf der Palastanlage, welches den Kampf zwischen einem Löwen und einen Stier zeigt, kann als Wahrzeichen für den Sieg des Frühjahrs mit seinem ausgeglichenen Temperaturen über den harten Winter verstanden werden. Denn der Löwe war Wahrzeichen der Sonne und der Stier Wahrzeichen des Regens.
Alle Mythen und historischen Überlieferungen zeugen davon, dass Nouruz als Sinnbild der Neuwerdung und des Wandels galt und mit dem Wechsel in der Natur zu tun hatte. Das Nouruzfest wurde genau zur Tag-und-Nachtgleiche im März gefeiert und fiel mit dem Ergrünen der Natur zusammen. Es gibt auch im September noch eine Tag-und-Nacht-Gleiche. Die Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühling auf der nördlichen Halbkugel deckt sich mit der Tag-und-Nachtgleiche im Herbst auf der südlichen Halbkugel. Aber das antike Nouruzfest bezieht sich auf die Tag-und Nachtgleiche im Frühling auf der nördlichen Halbkugel, wo Iran liegt.
Das Nouruzfest wird von allen Iranern, gleich welcher Ethnie oder Religion sie angehören, gefeiert. Nouruz überbringt den Menschen und der Natur die frohe Botschaft von einem neuen Anfang.
In diesem Teil haben wir einen Blick auf die iranische Mythologie und das Nouruzfest in der Antike geworfen. Wir werden beim nächsten Mal das Nouruzfest zur Zeit der Sassaniden und in der nachfolgenden Islamischen Ära betrachten.