Ohne die Erfindung der Schrift wäre niemals die Übertragung von geistigem Gut auf spätere Generationen möglich gewesen, ebenso wenig wie die Weiterentwicklung der Zivilisation. Die menschliche Schrift wird aber auch durch die Kunst geehrt zum Beispiel durch die Schönschriftkunst. Iran ist unter anderem für diese Kunst bekannt.
Es ist nun fast 470 Jahre her, dass einer der bekanntesten iranischen Kaligrafen auf die Welt kam. Es war Mir Emad Qazwini, geboren 1554 in Qazwin. Sein Lehrmeister war der Kalligraf Mohammad Husain Tabrizi, der ihm unter anderem die Nastaliq-Schönschrift beibrachte. Mir Emad Qazwini entwickelte daraufhin diese Handschrift bis zur Perfektion. Nachdem er nach Isfahan umgesiedelt war, bildete er dort viele Schüler aus und seine Kunstschule fand auch unter den Osmanen und in Indien viele Freunde. Künstler aus dem Osmanischen Reiche wie Veliuddin Efandi, Mohammad As`ad Al Yasari und Seyyed Mohammad Dedehzadeh setzten seinen Weg fort. Mir Emad hat auch Gedichte verfasst aber seine bekanntesten Werke sind seine Kalligrafien in kostbaren Büchern wie Saadis Werke Golestan und Bustan und der Munadschat-Nameh von Chadscheh Abdullah Ansari. Der Künstler wurde leider 1615 unter einem hohlen Vorwand von einem der Leute des Schah Abbas getötet. Sein Grab befindet sich in der Maqsudbeyk-Moschee nahe des Naqsch-e Dschahan-Platzes in Isfahan.
Mir Emad Hasani Qazwini gilt als der größte iranische Künstler auf dem Gebiet der Nastaliq-Kalligrafie. Es heißt dass man ihn mit Gold für seine Kunstwerke bezahlte und er zu den Reichsten im damaligen Iran gehörte. Das Haus, das er hinterließ, war so teuer, dass der damalige Wesir nicht genug Geld hatte, um es zu kaufen. Darüber hinaus wird dieser Kalligraf auch wegen seines hohen Charakters und als freiheitlich denkender Mensch gerühmt, der die Kunst wegen ihrer selbst liebte.
Mir Emad hat die Proportionen von Buchstaben und Wörtern in der Nastaliq-Schrift auf schönste Weise miteinander in Einklang gebracht. Er hat den goldenen Schnitt auf diese Schönschrift angewandt.
Handschrift von Mir Emad Qazwini
Die Kalligrafie gelangte zwar im Orient und im Osten zu ihrer vollen Entfaltung, aber diese Kunst ist auch in allen anderen Kulturräumen anzutreffen. In Europa kennt man das Wort Kalligrafie, nämlich Schönschrift, seit dem 15. Jahrhundert nach Christus aber erst ab dem 19. Jahrhundert war es ein Kunstbegriff. Jedoch im Fernen Osten und in islamischen Ländern wie Iran, galt die Kalligrafie schon lange vorher als ein Kunstzweig.
Im Iran gab es in der vorislamischen Zeit verschiedene Schriften wie die Keilschrift, die Pahlavie-Schrift und die avestische Schrift. Doch mit Beginn der islamischen Ära haben unsere Vorfahren sich auf das Arabische Alphabet und die Arabische Schrift umgestellt. Vor dem Islam hatte die Arabische Schrift noch keine größere Entwicklung erfahren. Ihre Entfaltung begann quasi mit der Verbreitung des Islams. Die Kalligrafie hat den Muslimen immer schon etwas bedeutet, und zwar wegen der kunstvollen Darstellung des offenbarten Gotteswortes. Es waren ihnen wichtig die Offenbarungsverse in schöner Handschrift wieder zu geben und sie haben die Kalligrafie auch in den meisten anderen Künsten eingesetzt. Die Schönschrift hat in allen islamischen Ländern als die höchste Kunst Beachtung gefunden, besonders die iranischen Künstler haben sich einen Namen auf diesem Gebiet gemacht.
Vor kurzem gab die Abteilung für die Registrierung von historischen und kulturellen Werken im Ministerium der IRI für Kulturerbe und Tourismus bekannt, dass im Jahre 2022 die iranische Kalligrafie als Weltkulturerbe bei der UNESCO eingetragen werden wird. Aber plötzlich hieß es in den Medien der Türkei, dieses Land hätte eine Akte für Islamische Kalligrafie zwecks Eintragung bei der UNESCO im Jahre 2020 als immaterielles Kulturerbe dieses Landes eingereicht.
Ein Blick auf die Geschichte der Kunst der Kalligrafie genügt um festzustellen, dass es vor der Etablierung des Osmanischen Reiches in der Türkei keine Kunst namens Kalligrafie gab. Unterdessen hatte im Iran diese Kunst bei der Anfertigung von Koran-Manuskripten bereits vorher einen Höhepunkt erreicht und hatten sich namhafte Künstler der Kalligrafie gewidmet. Einer ähnlichen Fälschung der Geschichte sind wir schon einmal begegnet. So ist der bekannte iranische Kalligraf Mir Emad Qazwini in einigen Büchern als Istanbuler Kalligraf vorgestellt worden.
Auch die Sprüche, welche die Türkei im Zusammenhang mit dem Antrag auf Registrierung der Islamischen Kalligrafie bei der UNESCO verwendet, beruhen auf einer Fälschung der Geschichte. Die Internetseite des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Türkei verwendet nämlich im Zusammenhang mit einem Bericht über die Eintragung der Islamischen Kalligrafie als immaterielles Erbe bei der UNESCO den Spruch „Der Koran wurde in Mekka offenbart, in Ägypten rezitiert und in Istanbul geschrieben.“ Wer sich die Geschichte der Kalligrafie und der Niederschrift des Korans anschaut, kann sich davon überzeugen, dass es sich bei diesem Werbespruch um eine klare Geschichtsverfälschung handelt.
Der zeitgenössische iranische Kalligraf Hamid Resa Qalitsch Chani, der sich mit Forschungen im Bereich Literatur und Kunst befasst, sagt über die Eintragung der Kalligrafie in der UNESCO-Liste für immaterielles Kulturerbe: „Das immaterielle Kulturerbe kann durch jedes Land eingetragen werden und Länder wie Iran, Türkei und Irak und weitere können gemeinsam die Islamische Kalligrafie registrieren lassen, denn sie ist ein gemeinsames