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Hafis und Goethe

„In den Jahren 1812 und 1813 wurden zwei Bände des Hafis Diwans von „Hammer Purgestall“ in die deutsche Sprache übersetzt. Und dieser Diwan regte Goethe dazu an, sich intensiver mit dem Orient auseinanderzusetzen und orientalischen Quellen, die zu seiner Zeit erreichbar waren, zu studieren. Aus allen diesen Quellen wählte Goethe nur Hafis als der erste entscheidende Anstoß zum Diwan aus und widmete ihm ein eigenes Kapitel.“ (Vgl. Bürgel 1975: 9)

Hafis, dir sich gleich zu stellen, Welch ein Wahn! Raucht doch wohl auf Meereswellen [II, 1] (Goethe 1834: 112)

Das oben zitierte Gedicht wurde allerdings von Goethe nicht in die finale Version des Divans aufgenommen wurde, sondern nur im Nachlass veröffentlicht. Goethe beschreibt dort sein Verhältnis zu Hafis mit dem Bilde eines Schiffleins, das Stolz auf dem Ozean fährt, jedoch wenn die Wogen des Meeres unvermutet aufbrausen, von ihm verschlungen zu werden droht.

Außer diesen Versen hat Goethe auch andere Verse in seinem Diwan, in der er sich selbst als Hafisʼ Zwillinge bezeichnet.

Hafis, mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sey uns, den Zwillingen, gemein! (Goethe 1819: 28)

Hammer schrieb in der Einleitung seiner Übersetzung von Hafisʼ Diwan, dass „Wein und Liebe, Schenken und Mädchen, Rosen und Nachtigallen, Frühling und Klosterhohn, Schönheitspreis und Dichter-Selbstlob die Pole sind, um die sich die Welt Hafis ens zwischen Sonnen und Monden, Morgenstern und Plejaden jauchzend herumdreht.“ (Hammer 1812: 1, XXXIV)

Dieser Satz war Goethes Anregung, um das folgende Gedicht zu schreiben:

Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,
Anfang und Ende immerfort dasselbe [II, 6] (Goethe 1819: 27)

Nach der Eroberung von Shiraz und dem Tod Manṣūr-Šāh (König Manṣūr) trafen Hafis und Tiymūr aufeinander. Nachdem Tiymūr, der despotische Mongolen-Herrscher, in Isfahān viele Menschen enthaupten ließ, eroberte er Shiraz. Dort kamen die Vertreter des Volkes, um ein ähnliches Blutvergießen zu verhindern.

Im Jahre 1391 n. Chr. nach der Eroberung von Shiraz und dem Absturz der Muẓẓaffar-Dynastie führte Tiymūr Lang unter Gelehrten von Shiraz eine Debatte. Bei der Versammlung sprach Tiymūr Hafis so an: Kraft meines Schwertes habe ich fast ein Viertel der Bevölkerung des Landes und Tausende Ortschaften kaputt gemacht, um damit Samarqand und Buḫārā, meine lieben Heimatsstädte und Thornsitze Pracht zu leihen, und du kleiner Mann, du hättest dir es vertraut, das alles für ein „Indisches Mal eines schönen Türken von Shiraz“ zu geben? – wo du gedichtet hast: „Wenn jener Shirazer Türke mein Herz in die Hand nähme / würde ich für sein Hindu-Mal Samarqand und Buḫārā wegschenken.“ (Wohlleben 2004: 1, 3) Herrscher der Welt, entgegnete Hafis lächelnd und aus Angst vor dem großen Tūrān, genau wegen meiner derartigen Großzügigkeit bin ich doch in Elend gefallen. (Vgl. Samarqandī 1987: 231)

Goethe stellt dieses Ereignis im folgenden Vers vor.

Hättʼ ich irgend wohl Bedenken Balḫ, Buḫārā, Samarkand,
Süßes Liebchen, dir zu schenken? Dieser Städte Rausch und Tand. [VIII, 15] (Goethe 1819: 100)

Hafis stellt in seinem Ghasel seine zwei Freunde vor und regte Goethe dazu an, darüber zu dichten: Weinbecher und Büchlein sind die zwei Freunde des Dichters.

Du bist auf immer geborgen,
Das nimmt dir niemand wieder:
Zwei Freunde, ohne Sorgen,
Weinbecher, Büchlein Lieder. [VI, 14] (Goethe 1819: 81)

Hafis schreibt: „Keinen Freund verlangʼ ich mir dort [im Wirtshaus], als das Buch und die Flasche, / Daß ich vergeße der List, daß ich vergeße des Trugs.“ (Hammers 1812: 2, 185)

Eine andere Textpassage im Goethes Diwan, das mit Hafis zu tun hat, steht im Buch der Sprüche. Es geht um die Prüfung des Geschicks und Goethe konnte das sehr gut darstellen.

Prüft das Geschick dich, weiß es wohl warum: Es wünschte dich enthaltsam! Folge stumm. [VI, 3] (Goethe 1819: 74)

Hafis dichtet: „Prüft dich das Loos, so hat es keinen anderen Zweck nicht, / Als daß einst dein Herz rein durch Enthaltsamkeit sey.“ (Hammers 1812: 1, 452)

Wenn links an Baches Rand
Cupido flötet,
Im Felde rechter Hand
Mavors drommetet, [I, 11] (Goethe 1819: 14)

Dieser Satz ist in Hafisʼ Ghasel vorgebildet: „Wer könnte sicher / Bleiben vor des Himmels Raubsucht / wenn dort Sohre Lauten schlagt, / Und Merih die Waffen traget.“ (Hammers 1812: 2, 75)

In Noten und Abhandlungen des Diwans wird auf die Erniedrigung vor dem Sultan und Geliebten hingewiesen. Goethe verwendet die Ghasele von Hafis , um diese Sache klarzumachen. (Vgl. Goethe 1819: 257f.)

„Nur dasjenige Gesicht / Ist des Glückes Spiegelwand, / Das gerieben ward am Staub / Von dem Hufe dieses Pferdes“10 (Hammer 1812: 1, 224), „Mein Gesicht lag auf dem Weg, / Keinen Schritt hat er vorbeigetan“11 (Hammer 1812: 1, 232), „Denjenigen, der meine Scheitel / Wie Staub zertritt mit Füßen, / Will ich zum Kaiser machen, / Wenn er zu mir zurückkommt“12 (Hammer 1812: 1, 395) und „Mein Kopf im Staub des Weges / Des Wirtes sein wird“13 (Hammer 1812: 1, 278).

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