von Prof. Dr. Roland Pietsch | Um die schiitische Lehre vom Imam Mahdī in ihren Grundzügen verstehen zu können, ist es notwendig, den Ursprung der Schia zu betrachten. Mit dem Tod des Propheten Muḥammad im Jahr 632 waren die Zyklen des Prophetentums endgültig abgeschlossen. Das bedeutet, dass es nach dem Tode des Propheten Muḥammad, der als das „Siegel des Prophetentums (ḫatim al-nubūwa)“ oder „das Siegel der Propheten (ḫatim al anbiyā ́)“ bezeichnet wird, keinen weiteren Propheten mehr und auch keine weiteren Gesetzgebungen (šārī ́at) geben wird.
Der Prophet Muhamad war aber nicht nur Gesetzgeber. Vielmehr enthält sein Prophetentum eine Substanz, die mit Hilfe des Begriffs der inneren geistigen Stufen oder Standorte (maqamat) erklärt wird. Diese Substanz hat der Prophet Muhammad dem ersten Imam ́Alī ibn Abī Tālib, amīr al-mu’minīn, Befehlshaber der Gläubigen,auf eine geheimnisvolle Weise übermittelt (Koran 33, 40).
Und dies ist der irdische Ursprung der Schia. Damit beginnt ein neuer Zyklus, der Zyklus der Gottesfreundschaft. Dieser Zyklus ist kein prophetischer Zyklus mehr, sondern der Zyklus der zwölf Imame, der Zyklus der walāya. Das arabische Wort walāya kann mit Ergebenheit, Freundschaft oder Liebe übersetzt werden. Es bedeutet in diesem Zusammenhang die Ergebenheit oder Liebe der Schiiten gegenüber ihren Imamen, den Freunden Gottes (awliyā ́ Allāh, per. Dustān-e Ḫodā).
Der Zyklus der walāya beginnt, wie gesagt, mit dem ersten Imam ́Alī ibn Abī Tālib, der auch als Siegel der walāya bezeichnet wird. Auf den ersten Imam folgen elf weitere Imame, und mit dem Erscheinen des zwölften und letzten Imams, das von allen Schiiten sehnsüchtig erwartet wird, endet der Zyklus der walāya.
Der zwölfte Imam, dessen voller Name Abūl-Qāsim Muḥammad ibn al-Ḥasan al- ́Askarī lautet, wurde am 15. Ša’bān des Jahres 225 islamischer Zeitrechnung und im Jahr 869 christlicher Zeitrechnung in Samarra als Sohn des 11. Imams Ḥasan al-Zakīal- ́Askarī und seiner Mutter Narğis geboren.
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