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Goethe und der Islam

Johann Wolfgang von Goethe gilt als der bedeutendste deutsche Dichter und als herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur.

Kaum ein Aspekt seines Lebens von seiner Geburt am 28. August 1749 in Frankfurt am Main im Goethe-Haus bis zu seinem Ableben am 22. März 1832 in Weimar wurde nicht mehrfach untersucht und beschrieben. Dennoch fand ein bedeutender Aspekt seines Lebens, der Islam, kaum Eingang in deutsche Schulbücher.

Maßgebliches Spiegelbild für die Begegnung Goethes mit dem Islam ist in seinem West-östlichen Divan wiedergegeben.

Goethe lebte in einer Zeit, in der die ersten Qur’an-Übersetzungen ins Deutsche vorlagen. Darüber hinaus gab es zahlreiche Reiseberichte in die muslimische Welt. So gibt es in den „Noten und Abhandlungen“ zum West-östlichen Divan zahlreiche Verweise auf jene Reiseberichte, insbesondere auf die des Schriftsteller Olearius in den Iran mit seinen ersten Übersetzungen des Golestan von Saadi ins Deutsche.

Mit dem „West-östlichen Diwan“ hat Goethe von 1814 bis 1827 seine letzte große Gedichtsammlung verfasst. Sie gilt auch in der islamischen Welt als Meisterwerk deutscher Dichtkunst.

1814 las Goethe den von dem Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall 1812 ins Deutsche übersetzten Diwan des persischen Dichters Muhammad Schams ad-Din (Hafiz) und war offensichtlich begeistert davon.

Der West-östliche Diwan ist in zwölf Bücher eingeteilt, wie es unter muslimischen Gelehrten üblich war ein Gesamtwerk in verschiedene Bücher aufzuteilen. Die Zahl zwölf ist eine heilige Zahl unter anderem wegen der Zwölf Imame. Die Bücher haben die Titel, wie z.B. „Das Buch des Sängers“, „das Buch des Hafis“, „das Buch des Schenken“, und jedes der Bücher hat seine Eigenheiten und seine eigenen Charakteristika, manchmal im „Buch des Unmuts“ sehr ärgerlich, manchmal tändelnd wie im „Buch der Liebe“, manchmal auch philosophisch wie im „Buch des Paradieses“. Immer wieder werden neue Bilder übernommen von Hafis und eingedeutscht in wunderbarer Art und Weise.

Goethe brachte seine Begeisterung über Hafiz selbst zum Ausdruck:

„Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis, mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Wie du zu lieben und zu trinken,
Das soll mein Stolz, mein Leben sein.“

Der Heilige Qur’an war für Goethe ein Buch „das uns, so oft wir auch daran gehen, immer von neuem anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung abnötigt.“ Später dichtete er dazu:

Ob der Koran von Ewigkeit sei,
Darnach frag‘ ich nicht.
Ob der Koran geschaffen sei,
Das weiß ich nicht.
Dass er das Buch der Bücher sei,
Glaub ich aus Mosleminenpflicht.

Dass aber der Wein von Ewigkeit sei,
Daran zweifl‘ ich nicht;
Oder dass er vor den Engeln geschaffen sei,
Ist vielleicht auch kein Gedicht.
Der Trinkende, wie es auch immer sei,
Blickt Gott frischer in’s Angesicht.

Der Wein steht in diesen Gedichten immer als Synonym für die Liebe.

In manchen seiner Gedichte drang er tief in die islamische Mentalität und Mystik ein, z.B. in dem kleinen Gedicht, das beginnt mit: „Im Atemholen sind zweierlei Gnaden“, wo er davon dichtet, dass das Einatmen und das Ausatmen notwendig für das Leben sind, und das Gedicht endet:

„SO DANKE GOTT, WENN ER DICH PRESST,
UND DANKE GOTT, WENN ER DICH WIEDER ENTLÄSST.“

Das ist ein Vers, den Goethe von Saadi übernommen hat, aber in seiner eigenen Art und Weise ausgedrückt. Darin kommt Goethes Glaube zum Ausdruck, dass das ganze Leben aus Gegensätzen, aus Systole und Diastole, aus Einatmen und Ausatmen besteht, dass es keine einheitliche Richtung gibt, sondern dass jedes Ausatmen ein Einatmen und umgekehrt in sich trägt. So hat Goethe mit seiner Aussage, dass das Leben aus Gepresst-Werden und wieder Erleichtert-Werden besteht, eine ihm und dem Islam eigene Wahrheit ausgesprochen, und er hat immer wieder, bis ans Ende seines Lebens, darauf hingewiesen.

Hier sind einige der Gedichte von Goethe aus seinem west-östlichem Diwan:

Närrisch, dass jeder in seinem Falle
Seine besondere Meinung preist!
Wenn Islam „Gott ergeben“ heißt,
In Islam leben und sterben wir alle.

„Wer sich selbst und andere kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.“

Wofür ich Allah höchlich danke?
Dass er Leiden und Wissen getrennt.
Verzweifeln müsste jeder Kranke,
Das Übel kennend, wie der Arzt es kennt.

Als wichtigster und wohl am häufigsten zitierter Vers aus dem Divan aber gilt sein Bezug auf den Vers im Heiliger Qur’an (2:115):

„GOTTES IST DER ORIENT, GOTTES IST DER OKZIDENT
NORD UND SÜDLICHES GELÄNDE, RUHT IM FRIEDEN SEINER HÄNDE.
ER, DER EINZIGE GERECHTE, WILL FÜR JEDERMANN DAS RECHTE.
SEI VON SEINEN HUNDERT NAMEN, DIESER HOCHGELOBET. AMEN.“

Zum Ende seines Werks konnte Goethe selbst auch Arabisch schreiben. So sind in seinen Aufzeichnungen z.B. einige Basmala sowie kurze von ihm abgeschriebene Suren erhalten.

Goethes Originalhandschrift Anfang der 114. Sure. Foto: eslam.de

http://www.eslam.de/begriffe/g/goethe.htm

 

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