Heute möchten wir einer weiteren Frohbotschaft im Qur´an unsere Aufmerksamkeit widmen. Sie ist in den Versen 156 und 155 der Sure Baqara, Sure 2, enthalten und an die Standhaften gerichtet:
Und zwar heißt es in diesen Versen:
وَلَنَبْلُوَنَّکُمْ بِشَیْءٍ مِنَ الْخَوْفِ وَالْجُوعِ وَنَقْصٍ مِنَ الْأَمْوَالِ وَالْأَنْفُسِ وَالثَّمَرَاتِ وَبَشِّرِ الصَّابِرِینَ، الَّذِینَ إِذَا أَصَابَتْهُمْ مُصِیبَةٌ قَالُوا إِنَّا لِلَّهِ وَإِنَّا إِلَیْهِ رَاجِعُونَ
„Und Wir werden euch ganz gewiss mit ein wenig Furcht und Hunger und Mangel an Besitz, Seelen und Früchten prüfen. Doch verkünde frohe Botschaft den Standhaften, die, wenn sie ein Unglück trifft, sagen: „Wir gehören Allah, und zu Ihm kehren wir zurück.“
Unser Leben auf der Welt geht mit Mühen und Leid einher. Philosophen führen es darauf zurück, dass die Welt materieller Natur ist. Manchmal verbittern Leid und Härten dem Menschen regelrecht das Leben und er sehnt sich nach innerer Ruhe und Zuversicht. Die Menschen auf der Welt erleben seit einigen Monaten während der Bekämpfung des Corona-Virus und seiner Verbreitung schwere Zeiten. Eine größere Zahl von Menschen ist bereits an Covid 19 gestorben. Ihre Angehörigen trauern um sie und Ärzte, Krankenpfleger und Krankenhausangestellte arbeiten unter sehr erschwerten Bedingungen. Alle diese Probleme erfordern Ausdauer und Geduld, um sie ertragen zu können. Die Betroffenen suchen in dieser Situation nach einem Halt und Trost. Auf welche Weise lassen sich diese schwere Zeiten überwinden? Was ist in schwierigen und leidvollen Zeiten zu tun, um den seelischen Druck auf ein Minimum zu reduzieren?
Das Wort „sabr“ ist ein arabisches Wort und gemäß der Religion bedeutet es: geduldig und standhaft bleiben. Dieses Wort kommt mehr als 100 Mal im Qur´an vor. Für die Gläubigen nimmt die Geduld einen großen Stellenwert ein. Sie suchen bei Gott Zuflucht vor dem Mangel an Geduld. Gemäß dem Inhalt des Qur´ans und der Überlieferung ist Sabr – die Geduld – für den Glauben genauso von Bedeutung wie der Kopf für den Körper. Ohne Hände oder Füße kann der Mensch weiterleben, ohne Kopf jedoch nicht. Ein Mensch, der keine Geduld besitzt, besitzt auch keinen Glauben und wird nicht ins Paradies gelangen.
Bei Härten im Leben kann der Mensch durch seine Geduld seinen Glauben unter Beweis stellen. Es ist interessant, was in dem Vers 24 der Sure 13 (Rad ) über die Worte steht, mit denen die Engel die Glückseligen, welche das Paradies betreten dürfen, begrüßen, nämlich:
„Friede sei auf euch dafür, dass ihr geduldig wart!“ Wie trefflich ist die endgültige Wohnstätte!
Somit heben also die Engel von allen guten Werken und allem Gott-Dienen die Geduld hervor und sagen, dass die Gläubigen in den Ewigen Garten einkehren dürfen, weil sie geduldig waren.
Geduld ist eine Art Widerstand, welcher dem Menschen gegenüber Härten und unerfreulichen Dingen Kraft verleiht. Jedes Missgeschick und Leid treibt den Menschen seelisch in einen Engpass, je schlimmer die Not ist, desto mehr. Aber jemand der an Gott glaubt und davon überzeugt ist, dass Er das Wohl des Menschen will, erträgt geduldig jedes Leid und ist ergeben gegenüber der göttlichen Bestimmung. Er sieht in den Engpässen des Lebens eine Leiter, über die er höhere Stufen erreichen kann.
Erneut sollten wir uns der Offenbarung zuwenden, um zu erfahren welche Arznei Gott für die Härten und Nöte des Lebens verschreibt. In dem Vers 153 der Sure 2, Baqara, spricht Er:
یا أَیُّهَا الَّذِینَ آمَنُواْ اسْتَعِینُواْ بِالصَّبْرِ وَالصَّلاَةِ إِنَّ اللّهَ مَعَ الصَّابِرِین….
„O die ihr glaubt, sucht Hilfe in der Standhaftigkeit und im Gebet! Allah ist mit den Standhaften.“
Das Wort Sabr in diesem Qur´anvers haben einige Qur´ankommentatoren als Hinweis auf das religiöse Fasten verstanden und sie haben dieses Fasten als vollendetes Beispiel für Geduld und Selbstbeherrschung angeführt. Das Fasten stärkt in der Tat die Geduld des Menschen gegenüber Missgeschicken. Es lehrt ihn, nicht zu resignieren und bei Gott Halt und Beistand zu suchen. Geduld und Fasten sind fest miteinander verknüpft. Beim Fasten übt der Mensch Geduld gegenüber Hunger und Durst, Standhaftigkeit gegenüber Sünden und Ausdauer gegenüber Härten. Die Frucht dieser wertvollen religiösen Übung ist die Erreichung höherer seelischer Stufen und einer größeren Nähe zu Gott.
Das Leben auf dieser Welt ist mit Härten und Problemen vermischt und wenn der Mensch ihnen gegenüber standhaft bleibt, wird er siegen. Im Gegensatz dazu bringt es ihm nichts, wenn er die Geduld aufgibt und sich von einem Unglück in die Knie zwingen lässt.
Der Prophet des Islams hat gesagt, dass der gesegnete Ramadan der Monat der Geduld ist. Er hat gesagt: „Ihr Menschen! Wahrlich ein Monat, in dem es eine Nacht gibt, die besser ist als tausend Nächte, breitet seinen wohltuenden Schatten über euch aus. Dies ist der Monat Ramadan. Gott hat das Fasten in diesem Monat zur Pflicht gemacht …und es ist der Monat der Geduld.“
Auch die Verrichtung des Ritualgebets wird als ein Beispiel für Geduld betrachtet. Wenn der Mensch bei der Begegnung mit den Schattenseiten des Lebens nicht bei der Allmacht Gottes Zuflucht sucht, wird er den Mut verlieren. Wer im täglichen Gebet mit Gott, dem Allmächtigen und Allbarmherzigen, Verbindung aufnimmt, wird jedoch niemals aufgeben und sich nie allein gelassen fühlen. Die Geschichte berichtet davon, dass Imam Ali (Friede sei mit ihm), immer wenn er vor einer schwierigen Aufgabe stand, zuerst zwei Gebetsabschnitte verrichtete und Gott um Beistand bat.
Der Betende beginnt das Gebetsritual mit der Größenpreisung Allah-u Akbar (Allah ist am größten) und damit bekennt er sich zu der Überzeugung, dass Gott für ihn groß, dass er der Größte, ist und alles andere wird dadurch für ihn unbedeutend. Eine Seele, die im Gebet zu Gott aufsteigt und spürt, wie groß Gottes Liebe und Barmherzigkeit ist, wird das Weltliche als geringfügig empfinden und die Inhaber von Geld und irdischer Macht werden in seinen Augen winzig sein. Ähnlich wie jemand, der aus dem Fenster eines aufsteigenden Flugzeugs blickt und sieht wie alles am Erdboden in seinen Augen immer kleiner wird, bis es ganz seinen Blicken entschwindet.
Es kommt darauf an, in unglücklichen Vorkommnissen ein Mittel zu erkennen, welches zum spirituellen Wachstum führt und Unglauben und Aberglauben zunichtemacht. Missgeschicke sollen den Menschen veranlassen, dass er sich wieder Gott zuwendet. Die Härten des Lebens verhelfen uns daher auf eine höhere Stufe der Vervollkommnung und machen den Mensch reifer und edler. Einige Schwierigkeiten stärken den Menschen körperlich und andere stärken ihn seelisch. Hierzu hat Imam Ali (F) gesagt: „Gott stellt Seine Diener laufend verschiedenen Arten von Härten gegenüber und hält ihnen verschiedene Wege offen, wie sie sich Mühe auf dem Wege Gottes geben können. Er stellt verschiedene Pflichten auf, die ihrer nach Bequemlichkeit strebenden Natur widersprechen, damit der Stolz aus ihrem Herzen weicht und damit ihre Seelen sich für die Dienstbarkeit Gottes beugen und dies ist ein Mittel, das dazu dient, die Tore zum Überfluss und zur Barmherzigkeit des Herrn für sie zu öffnen.“
An der Geduld zeigt sich, wie weit eine Gesellschaft sich veredelt hat. Geduld kommt auf verschiedene Weise zum Ausdruck. Bei der Verteidigung gegenüber dem Feind äußert sie sich in der Kühnheit der Kämpfer und gegenüber einer Versuchung in der Form der Selbstbeherrschung. Die Geduld beim Gott-Dienen kommt in der Gott-Dienstbarkeit zum Ausdruck. Sabr bedeutet gemäß Islamischer Terminologie keineswegs, dass man tatenlos ein Unglück erträgt und gegenüber den Ursachen kapituliert.
Wie gesagt, wiegt der Glaube mehr, wenn Wissen und Ausdauer und natürlich rechtschaffenes Handeln mit ihm einhergehen. Daher sagt Gott im Qur´an, dass Er Freund und Helfer der Geduldigen ist.