von Adam Bobeck *
Am 20. Februar 2009 entdeckten schiitische Pilger auf dem Baqīʿ-Friedhof in Madīna, dass die saudische Religionspolizei schiitische Frauen von einem nahegelegenen Gebäude aus filmte. Als die Pilger von der Polizei verlangten die Aufnahmen zu zerstören, antwortete diese mit Gewalt. Die Schiiten versammelten sich am 23. Februar vor dem Friedhof, aber die Religionspolizei verhinderte mit physischer Gewalt, dass sie den Friedhof betraten. Anschließend griff die Polizei gemeinsam mit Zivilisten die Schiiten an. Der Friedhof wurde anschließend wochenlang für Besucher gesperrt. Spannungen zwischen der saudischen Regierung und Schiiten sind nichts Neues, aber die Ereignisse von 2009 sind ein Zeichen für den herausgehobenen Status des Baqīʿals Konfliktort.
Der Baqīʿ-Friedhof ist seit 1400 Jahren ein äußerst wichtiger Ort für Muslime. Allerdings ist Baqīʿaufgrund seiner wiederholten Schändung durch die saudisch-wahhabitische Allianz 1806 u.Z. und 1926 u.Z. eine der Haupt-Trennlinien zwischen der schiitischen Gemeinschaft und den Wahhabiten.
Die Proteste und Unterdrückung durch die Regierung im Jahr 2009 zeigen Baqīʿals einen Ort, auf den verschiedene Interpretationen konkurrierende Ansprüche erheben. Baqīʿist ein außergewöhnlich wichtiges Verbindungsglied zwischen der räumlichen Ordnung und muslimischen Identitäten. Dieser Text nutzt eine anthropologische Perspektive auf Raum und Identität, um die Dynamiken von Baqīʿbei der Konstruktion eines gemeinsamen Erbes besser zu verstehen. Baqīʿnimmt als Ort eine wichtige Rolle in der Erstellung und Aufrechterhaltung der religiösen Identitäten von Schiiten, Sunniten und Wahhabiten ein. Die Grenzen, Rituale und Beziehungen des Friedhofs trennen diese Gruppen anhand ihres kollektiven Verständnisses islamischer Geschichte und Orthopraxie.
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* Universität Leipzig, email: arbobeck@gmail.com