Abu Nasr Mohammad ibn Mohammad Farabi im Jahre 870 n. Chr. auf die Welt gekommen, aber über seinen genauen Geburtsort ist man sich unter den Historikern uneinig. Einige sagen er sei in Farab, wie die ehemalige Stadt Otrar im heutigen Südkasachstan einmal hieß, auf die Welt gekommen und andere sind der Ansicht, dass er in Baryab oder Faryab im Groß-Chorasan, welches heute zu Afghanistan gehört, geboren ist. Keiner der Forscher und Historiker, ob Iraner oder Nicht-Iraner, zweifelt jedoch daran, dass er Iraner war und sie heben hervor, dass seine Eltern beide Iraner waren. Sein Vater war Mitglied des iranischen Heeres.
Der arabische Historiker Ibn Abi `Uzhaibah hat in seinem Buch Insan- ul -Uyun geschrieben, dass Farabi persischer Herkunft ist, und Ibn Nadim (10.Jahrhundert) hat in seinem Werk Al Fehrist ebenso wie Al Schahruzi, der im 13. Jahrhundert nach Christus lebte, Al-Farabi einen Iraner genannt. Außerdem hat Farabi am Rande seiner Werke auf Persisch, Soghdisch und manchmal auf Griechisch Quellen genannt, aber in seinen Werken kommt kein einziges türkisches Wort vor. Dass er am Rande einiger seiner Werke etwas auf Soghdisch schrieb, hat nach Forscheransicht damit zu tun, dass dies seine Muttersprache und die Sprache der Einwohner von Farab war. Auch andere Quellen bestätigen, dass Farabi Iraner war. Clifford Edmund Bosworth, (1919-2015), Professor an der Oxford Universität schreibt, dass große Persönlichkeiten wie Farabi, Biruni und Avicenna von türkischen Forschern den Türken zugeschrieben worden sind. Der erste, der Farabi als türkischstämmig vorstellte, war Ibn Challikan (13. Jahrhundert nach Christus). Aber in dem Nachschlagewerk Iranica tadelt Dr. Gutas diese Ansicht von Challikan und schreibt, die Dokumente die Ibn Uzhaibah zuvor darüber angeführt hat, dass Farabi ein Perser war, hatten Callikan zu diesem Schritt veranlasst. Challikan hängte die Bezeichnung al Turk – der Türke – dem Namen Farabi an, obwohl Farabi nie einen solchen Titel getragen hatte.
Ali Akbar Dehchoda, der bekannte iranische Literat, zitiert Badi`uzzaman Foruzanfar (1904-1970), einen iranischen Professor für Farsi-Literatur, der geschrieben hat:
„In den Büchern gibt es keine Beschreibung der Kindheit und Jugend von Farabi. Ibn Usaibiah (Autor des 7. Jahrhunderts nach dem Mondkalender) führt zwei widersprüchliche Nachrichten an: Erstens, dass Farabi anfangs ein Gartenwächter in Damaskus gewesen sei und zweitens, dass er als junger Mann als Richter tätig gewesen wäre und, da er neues Wissen erwarb, das Richteramt aufgab und mit großem Interesse sich anderem Wissen zuwandte.“
Farabi begeisterte sich als junger Mensch für die Philosophie und auf der Suche nach einem Lehrmeister zog er von einem Zentrum für Wissen zum anderen. Er widmete sich voll und ganz dem Wissenserwerb.
Es heißt, dass Farabi im Alter von circa 40 nach Bagdad ging, um dort zu studieren. Zu der Zeit war er sehr gut in der Arabischen Grammatik, der Islamischen Rechtslehre und der Überlieferung bewandert, aber über Logik und Philosophie besaß er noch keine großen Kenntnisse. In Bagdad widmete er sich bei Matta ibn Yunus diesen beiden Wissenschaften. Danach reiste er nach Harran (im Südosten der heutigen Türkei) und studierte dort bei Yuhana Ibn Haylan. Farabi war fleißig, hochintelligent und lernte schnell. Bald wurde er als Philosoph und Gelehrter bekannt und es versammelte sich nach seiner Rückkehr nach Bagdad eine Gruppe von Schülern um ihn, einer von ihnen war Yahya ibn Adi, ein christlicher Philosoph.
Im Jahre 330 nach der Hidschra, d.h. 941 nach Christus siedelte Farabi nach Damaskus um und diente als Hofgelehrter dem Hamdanidenfürsten Saif ad Daula, dem Herrscher von Halab (Aleppo). Farabi starb 950 nach Christus im Alter von 80 Jahren in der Nähe von Damaskus. Einige sind der Überzeugung, dass er ermordet wurde und es heißt, dass ihm auf dem Weg von Damaskus nach Asqalan (im Süden des heutigen besetzten Palästinas) Räuber den Weg verstellten. Farabi sagte zu ihnen: „Ihr könnt alles haben: das Pferd, die Waffe und Bekleidung und mein Hab und Gut! Aber lasst mich in Frieden.“ Aber die Räuber willigten nicht ein und wollten ihn töten. Da verteidigte er sich mit der Waffe und kam ums Leben. Die Befehlshaber von Schaam (Damaskus) erfuhren von dem Vorfall. Sie beerdigten Abu Nasr Farabi ehrenvoll in Damaskus.
Nach Ansicht von islamischen Historikern führte Farabi ein asketisches frommes Leben und war ein besinnlicher Mensch. Er kleidete sich wie die Derwische, widmete sich ganz und gar der Forschung und dem Schreiben und hatte sonst keine Interessen. Er hatte sich so sehr von den weltlichen Dingen abgekehrt, dass er sich mit vier Drachmen täglich begnügte, obwohl der Hamdanidenherrscher Saif du Daulah einen großen Lohn aus der Volksvermögenskasse für ihn bestimmt hatte.
Farabi beherrschte mehrere Wissenschaften. Er hat über jede Wissenschaft seiner Zeit ein Buch geschrieben. An seinen Büchern ist zu sehen, dass er ausgezeichnet in der Mathematik, Chemie und Astronomie, in Militärwissenschaften ebenso wie in Musik, Naturwissenschaften aber auch in Theologie, Religionsrecht und Logik bewandert war.
Zwar wird Yaqub ibn Ishaq al-Kindi als der erste muslimische Philosoph betrachtet, der den Weg für die anderen ebnete, aber in Wirklichkeit konnte dieser keine philosophische Schule begründen und die verschiedenen Themen, die er diskutierte, vereinen. Farabi jedoch gelang es, eine geschlossene philosophische Lehrschule zu begründen. Das große Werk, welches al-Kindi begonnen hatte, wurde von Farabi fortgesetzt. Al-Kindi hatte philosophische Werke aus dem Griechischen ins Arabische übersetzen lassen. Farabi aber führte die Philosophie in die arabische Sprache ein. Der bekannte iranische Gelehrte und Philosoph Ibn Sina, im Westen als Avicenna bekannt, hat Farabi seinen Lehrmeister genannt und Ibn Ruschd, latinisiert: Averroes, ein andalusischer Philosoph und islamischer Gelehrter, sowie andere islamische und arabische Philosophen haben al-Farabi geschätzt. Eine Aussage von Avicennas zeugt von dem hohen wissenschaftlichen Status al-Farabis. Avicenna hat gesagt:
„Ich habe das Werk „Metaphysik“ von Aristoteles studiert und auch nach 40-maligen Lesen konnte ich nicht ausfindig machen, worauf der Verfasser hinauswill, bis ich auf dem Bazar ein Buch von Abu Nasr Farabi fand. Es war ein Kommentar zu dem Werk „Metaphysik“ von Aristoteles. Nachdem ich dieses Buch gelesen hatte konnte ich den Inhalt von „Metaphysik“ verstehen und war glücklich.“
In der islamischen Philosophie wurde Farabi mit „Zweiter Lehrer“ nach Aristoteles, der als „Erster Lehrer“ bezeichnet wurde, betitelt.
Al Farabi lebte zu Beginn einer Ära in der islamischen Geschichte und Kultur, welche sich aus verschiedener Hinsicht als Ära der Wiederbelebung von Wissenschaft und Philosophie bezeichnen lässt. Farabi lässt sich als Begründer der islamischen Philosophie verstehen und verdient den Titel „Zweiter Lehrer“. Durch ihn fand die islamische Philosophie in der Islamischen Welt Verbreitung. Die Geschichte der islamischen Philosophie begann bei ihm und setzte sich in die Gegenwart fort. In der Epoche von al-Farabi bis zur Epoche des iranischen Philosophen Hakim Molla Hadi Sabzawari, d.h. vom 9. Jahrhundert bis zum 19. Jahrhundert nach Christus, ist die Erschaffung und Beschaffenheit der Welt immer der wichtigste Gegenstand Islamischen Denkens gewesen.
Abu Nasr al-Farabi hat die griechische Philosophie vollständig studiert und war von Aristoteles beeinflusst. In seinen Werken tritt der Gedanke von der idealen Stadt –al-madina-al-fadila – als Modell eines utopischen idealen Staates in den Vordergrund. Er hat das Denken der Bürger des idealen Staates beschrieben. Es ist ein Staat, in dem die islamischen Gesetze herrschen und die Regenten und die Bürger ihre Beziehungen zueinander aufgrund dieser Gesetze gestalten.