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Blüten des göttlichen Lebensbaums

Friedrich August Gottreu Tholuck und die persische Mystik
Roland Pietsch [1]

Abstract

Der deutsche protestantische Theologe Friedrich August Gottreu Tholuck hat zu Beginn seiner akademischen Laufbahn neben einer Reihe von theolo­gischen Schriften auch zwei grundlegende Werke über den Sufismus oder die islamische Mystik veröffentlicht. Im Jahr 1821: Sufismus sive Theosophia Persarum Pantheistica quam e MSS. Bibliothecae regiae Berolinensis Persicis, Ara­bicis, Turcicis eruit atque illustravit[2] und 1825: Blüthensammlung aus der morgen­ländischen Mystik: nebst einer Einleitung über Mystik überhaupt und Morgenlän­dische insbesondere[3]. In der Einleitung zur Blüthensammlung erklärt Tholuck zuerst, was Mystik im Allgemeinen und dann, was islamische Mystik im Be­sonderen ist und vergleicht dann die islamische Mystik mit dem christlichen Glauben. Dabei stellt er sowohl Übereinstimmungen als auch Unterschiede fest. Ein großer Teil der Blüthensammlung enthält darüber hinaus seine Über­setzungen von persischen mystischen Gedichten. Bevor im Folgenden diese Zusammenhänge genau untersucht und dargestellt werden, wird ein kurzer Überblick über Leben und Werk von Tholuck gegeben.

Keywords: Persische Mystik, Sufismus, Tholuck,

  1. Leben und Werk[4] von Friedrich August Gottreu Tholuck

Friedrich August Gottreu Tholuck wurde am 30. März 1799 in Breslau als Sohn des Goldschmieds Johann Gottlob Tholuck und seiner Frau Johanne Christiane Röschen geboren. Nach einer schwierigen Kindheit besuchte er das Maria-Magdalenen-Gymnasium in seiner Heimatstadt. „Seine persönli­che Begabung entdeckte Tholuck im Erlernen von Fremdsprachen. Sich dem mit ganzer Kraft zuwendend erwies er sich schon früh als ausgesprochenes Sprachgenie. Besonders begeistert war er von orientalischen Sprachen… Aber auch mit anderen alten Sprachen, so Latein, Griechisch und Gotisch, wies er sich aus. Hinzu kamen zahlreiche moderne Fremdsprachen: Franzö­sisch, Englisch, Holländisch und Dänisch gehörten ebenso zu seinem Reper­toire wie Italienisch, Schwedisch, Spanisch, Polnisch und Portugiesisch[5]. Nach dem Abitur immatrikuliert er sich im Herbst 1816 für Orientalistik an der Universität Breslau. Bereits im Januar 1817 reist er nach Berlin, wo er im Haus des bedeutenden Orientalisten Heinrich Friedrich von Diez (1786-1817) (Babinger, 1913, S. 83-100), als dessen Assistent aufgenommen wird und dann ein Studium der Theologie an der Universität Berlin beginnt. Im Sommer 1817 begegnet er Hans Ernst Baron von Kottwitz (1757-1843), der führenden Persönlichkeit der Berliner Erweckungsbewegung, der ihn zur Bekehrung führt. [6] 1818 erfolgt ein Ruf für Orientalistik und alttestamentliche Exegese an die Universität Dorpat, den er aber aus gesundheitlichen Gründen nicht annehmen kann. 1820 habilitiert er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten mit seiner Arbeit Sufismus sive Persarum Persarum Pantheistica, die von dem bedeutenden fran­zösischen Orientalisten Antoine-Isaac Silvestr de Sacy (1758-1838) sehr gelobt wurde (Silvestre de Sacy, 1822). Für diese Arbeit erhält er 1822 von der Universität Jena den Doktor­titel. 1823 wird er zum außerordentlichen Professor für Altes Testament er­nannt. Im selben Jahr veröffentlicht er die Schrift Die Lehre von der Sünde und vom Versöhner, oder: die wahre Weihe des Zweiflers[7] (Kim, 1992), die später für die Erweckungsbewegung grundlegend wurde; sie gilt im Bereich der Theologie als sein bedeutendstes Werk. 1825 reist Tholuck nach Leiden, London, Oxford und Paris, wo er in Bibliotheken orientalische Handschriften kopiert, und im selben Jahr veröffentlicht er sein zweites Werk über islamische Mystik: Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik: nebst einer Einlei­tung über Mystik überhaupt und Morgenländische insbesondere. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wird er 1826 zum Professor für Dogmatik, christliche Sittenlehre, Enzyklopädie, Methodologie der theologischen Wis­senschaften und Exegese des Neuen Testaments an der Vereinigten Fried­richs-Universität in Halle ernannt und veröffentlicht im selben Jahr seine letzte Schrift über den Orient: Die speculative Trinitätslehre des späteren Orients (Valenza, 2013, Lithos, S. 47-70). Ein Jahr später gründet er mit Ernst Wilhelm Hengstenberg und Ludwig von Gerlach die Evangelische Kirchenzeitung für das protestantische Deutschland. Von Mai 1928 bis April 1829 reist Tholuck als preußischer Ge­sandtschaftsprediger nach Rom, wo er vor allem orientalische Manuskripte sammelt. Nach seiner Rückkehr heiratet er Henriette Heydrich, die aber nach zwei Jahren stirbt. In Halle wird er in den sogenannten „Hallischen Streit“ über die Rationalismus-Thesen von August Hahn verwickelt. 1829/30 grün­det er den Literarischen Anzeiger für Christliche Theologie und Wissenschaft über­haupt als Gegengewicht gegen die rationalistische Theologie. (Kaufmann, 2004, pp. 146-177) Im Jahr 1836 kritisiert Tholuck öffentlich die Schrift Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet von David Friedrich Strauß. Im Jahr 1839 wird er Universitätsprediger. Ein Jahr später heiratet er die Freiin Mathilde von Gemmingen. 1840 wird er Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Halle. Im Jahr 1858 reist er nach Algier und nimmt an der Versammlung einer Sufi-Bruderschaft teil. 1861/82 veröffentlicht er die Vorgeschichte des Rationalismus in zwei Bänden. Im Jahr 1870 wird an der Universität Halle das 50. Doktorjubiläum Tholucks gefeiert. Drei Jahre später wird er auf eigenes Ersuchen aus dem Amt des Universi­tätspredigers entlassen und 1874/75 hält er seine letzte Vorlesung. Am 10. Juni 1877 stirbt Tholuck in Halle an der Saale.

https://www.spektrumiran.com/article_203746.html

[1]. Ludwig-Maximilian-Universität München, E-Mail: roland.pietsch@t-online.de

[2]. Berolini, MDCCCXXI, in Libraria Ferd. Duemmleri. Im Folgenden abgekürzt: Sufismus.

[3]. Berlin, bei Ferdiand Dümmler. 1825. Im Folgenden abgekürzt: Blütensammlung. Die Rechtschreibung ist unverändert übernommen worden.

[4]. Leopold Witte, Das Leben D. Friedrich August Gottreu Tholuck’s, Erster Bd. 1799-1826, Bielefeld und Leipzig 1884, Velhagen & Klasing; Zweiter Bd. 1826-1877, Bielefeld und Leipzig 1886. Walther Zilz, August Tholuck. Leben und Selbstzeugnisse, Gotha 1930, Ott. Hans-Walter Krumwiede, August G. Tholuck, in: Martin Greschat (Hg.), Die neueste Zeit – Gestalten der Kirchengeschichte 9, 1, Stuttgart 1985, Kohlhammer, S. 281-292; Klaus-Gunther Wesseling, Tholuck, F. A. G., in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. XI, Herzberg 1996, Traugott Bautz, Sp. 1251-1266. Peter Maser, Orientalische Mystik und evangelische Erweckungsbewegung. Eine biographische Studie zu Briefen von und an F. A. G. Tholuck, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, Bd. 33, 1981, S. 221-249. Gunter Wenz, Tholuck, F. A. G., in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 33, Berlin 2002, Gruyter, S. 425-429.

[5]. Michael Fiedler in Zusammenarbeit mit Judith Fenkl, Kathrin von Hoff und Annett Wollman, Kindheit und Jugend, in: Tholuck. Der Lebendige und Fromme Christ. Zum 200. Geburtstag von Friedrich August Gotttreu Tholuck (1799-1877), hrsg. für das Evangelische Konvikt Halle von Michael Lehmann, Halle 1999, Fliegenkopf Verlag, S. 11.

[6]. Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Die Erweckungsbewegung. Studien zur Geschichte ihrer Entstehung und ersten Ausbreitung in Deutschland, Neudetelsau 1957, Freimut Verlag. Gustav Adolf Benrath / Reinhard Deichgräber / Walter J. Hollenweger, Erweckung / Erweckungsbewegungen, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 10, Berlin 1982, Gruyter, S. 205-227.

[7]. Vgl. Sung-Bong Kim, „Die Lehre von der Sünde und vom Versöhner“ – Tholucks theologische Entwicklung in seiner Berliner Zeit, Frankfurt am Main / Bern / New York / Paris1992, Peter Lang. In der Lehre von der Sünde hatte Tholuck Hegel des Pantheismus bezichtigt, der darauf in der zweiten Auflage seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften von 1827 ausführlich geantwortet hat; Hegel erwähnt darin auch Tholucks Blüthensammlung. (Hegel, 1989, pp. 8 ff., 13 f., 15, 411 f.)

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