Hafis (persisch حافظ) ist einer der bekanntesten persischen Dichter und Mystiker. Sein voller Name Hage Schams ad-Din Moḥammad Hafez-e Sirazi (persisch خواجه شمس الدین محمد حافظ شیرازی) umfasst auch den Namen seiner Geburtsstadt Schiras.
Da Hafis schon im Kindesalter den gesamten Koran auswendig gelernt hatte, erhielt er den Ehrennamen „Hafis“ (jener, der den Koran auswendig kann). Auch er selbst verwendete in seinen Gedichten fast ausschließlich den Namen Hafis.
Als Hafis’ „Diwan“ in der Übersetzung von Hammer-Purgstall zum ersten Mal in die deutsche Sprache Eingang fand, gehörte Johann Wolfgang von Goethe zu seinen hingebungsvollsten Lesern. Das Werk befindet sich in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Inspiriert und im Dialog mit dieser reich kommentierten Ausgabe schrieb Goethe ab 1814 seinen Gedichtzyklus West-östlicher Divan (1819).
Goethe über Hafis:
Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis mit dir, mit dir allein
Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sei uns, den Zwillingen, gemein!
Wie du zu lieben und zu trinken,
Das soll mein Stolz, mein Leben sein.
Du bist der Freuden echte Dichterquelle
Und ungezählt entfließt dir Well’ auf Welle.
Zum Küssen stets bereiter Mund,
Ein Brustgesang, der lieblich fließet,
Zum Trinken stets gereizter Schlund,
Ein gutes Herz, das sich ergießet.
Wie kein anderer deutscher Dichter hat sich Friedrich Rückert mit dem Werk von Hafis auseinandergesetzt. Rückert konnte dank seiner persischen Sprachkenntnisse Hafis im Original lesen. 1822 erschienen in Leipzig bei Brockhaus die Oestlichen Rosen, ein Gedichtband mit 365 Gedichten. Obwohl Goethes Divan und Rückerts Rosen aus der Rezeption der persischen Dichtung entstanden sind, unterscheiden sie sich grundlegend. Während Goethe bei seinem Divan die gesamte orientalische Dichtung im Blick hatte, konzentriert sich Rückert auf Hafis. Dies wird besonders dann deutlich, wenn er ihn am Schluss eines Gedichtes direkt beim Namen nennt:
Die Gaselle sollte springen,
Nachtigall den Gruß erwidern,
Wenn ich trunken wollte singen
Stellen aus Hafisens Liedern
Rückert greift in seiner Dichtung Sprachbilder Hafis’ zur Rose, Nachtigall, dem Wein, den Locken der Geliebten, Liebe und Vergänglichkeit auf und stellt seine Dichtung in die Tradition seines großen Vorbildes. Dabei weist er gleich zu Beginn der Gedichtsammlung darauf hin, dass die Beschäftigung mit der orientalischen Dichtung eine gewisse Ernsthaftigkeit verlangt, um deren mystische Dimension zu erfassen:
O wie soll der Nachtigallen
Seele denn in’s Ohr dir fallen,
Wenn dir immer noch vor Ohren
Summet das Geschwätz von Thoren.
Und wie soll die Rosenblüthe
Wirklich blühen in’s Gemüthe,
Willst du noch nach Schimmer gaffen,
Den nicht die Natur erschaffen.
Willst du aufgenommen werden
Aus dem Irrgewirr auf Erden
In des Frühlings heitre Chöre
So nichts Andres sieh’ und höre.
Suche bei uns nicht Zerstreuung,
Sondern ewige Erfreuung.
Komm und trinke ganzer Seele
Rosenduft und Philomele.
Wenn im deutschen und persischen Sprachraum immer wieder darauf Bezug genommen wird, dass Goethe bei seinem Divan sich von Hafis’ Gedichten hat anregen lassen, dann gilt dies weit mehr für Rückert und seine Oestlichen Rosen:
Wie die Kerze
Ist Hafis in Liebesgluth zerstoben,
Freimunds Herze
Hat die hellen Funken aufgehoben.