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Iran auf dem Weg zur Weltmacht in Forschung und Wissenschaft?

Dr. Markus Fiedler | Wenn in deutschen „Qualitätsmedien“ vom Iran die Rede ist, so fallen immer wieder die Begriffe „Mullah-Regime“, „Mittelalter“ oder „rückständig“. Es wird zumeist das Bild eines Landes gezeichnet, in dem tyrannische Kleriker ein Volk – insbesondere die Frauen – entrechten und unterdrücken. Mit der Realität im Land hat das nichts zu tun.

Was hierzulande kaum wahrgenommen wird: Seit der Islamischen Revolution 1979 hat der Iran  – trotz eines achtjährigen, von außen aufgezwungenen Krieges und aller immer wieder verschärften Sanktionen (nach Trump die härtesten jemals verhängten Sanktionen der Welt) – nicht nur gewaltige wissenschaftliche Leistungen und Fortschritte in zahlreichen Bereichen vorzuweisen, sondern das Land befindet sich offenbar unaufhaltsam auf dem Weg zu einer wissenschaftlichen Supermacht.

In den letzten Jahren gab es zahlreiche „unverdächtige“ Berichte und Analysen aus unterschiedlichen Quellen, die nicht als „iranische Propaganda“ abgetan werden können, die dies nahelegen. Im Folgenden sollen  einige davon angeführt werden.

Schnelles Wachstum der wissenschaftlichen Produktion

Die „Royal Society“, Großbritanniens führende akademische Institution, veröffentlichte (in Zusammenarbeit mit Elsevier) im Jahr 2011 eine Studie unter dem Titel „Wissen, Netzwerke und Nationen“, in der die globale Wissenschaftslandschaft untersucht wurde. Demnach hatte der Iran die weltweit schnellste Wachstumsrate in Wissenschaft und Technologie und im Zeitraum von 1996–2008 seine wissenschaftliche Leistung um das 18-fache gesteigert.[1]

Nach einem Bericht des kanadischen Forschungsunternehmens Science-Metrix aus dem Jahr 2010 hatte sich der Iran in Bezug auf das Wachstum der wissenschaftlichen Produktivität mit einem Wachstumsindex von 14,4 weltweit an die Spitze gesetzt, gefolgt von Südkorea mit einem Wachstumsindex von 9,8.[2]

Nach dem Bericht der französischen Regierung „L’Observatoire des sciences et des techniques (OST) 2014“ hatte der Iran im Zeitraum zwischen 2002 und 2012 die weltweit schnellste Wachstumsrate der wissenschaftlichen Produktion, produzierte 1,4 % der gesamten Wissenschaft weltweit und belegte weltweit den 18. Platz im Hinblick auf die gesamte wissenschaftliche Leistung.[3]

Dem Institute for Scientific Information (ISI) zufolge haben iranische Forscher und Wissenschaftler in den Jahren  von 1990 bis 2008 insgesamt 60.979 wissenschaftliche Studien in großen internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Laut ISI war das Wachstum der iranischen Wissenschaftsproduktion – wenn man die Anzahl der Veröffentlichungen in Wissenschaftszeitschriften heranzieht – 2017/18 das „schnellste der Welt“.[4]

Den Weg Irans in eine wissensbasierte Gesellschaft und das iranische Hochschul- und Bildungssystem werde ich in einem Artikel besonders behandeln. Dieser ist sicher die Voraussetzung für die wissenschaftlich-technischen Errungenschaften im Iran.

Sprunghafte Entwicklung bei Hochtechnologien

In den letzten Jahrzehnten stellte die iranische Regierung gewaltige finanzielle Mittel für die Erforschung von Hochtechnologien wie die Biotechnologie, die Stammzellenforschung und die Nanotechnologie bereit.  

Der unerwartete Aufschwung der Biotechnologie begann im Iran im Jahr 1996 mit der Bildung des „Obersten Rates für Biotechnologie“. Im Januar 1997 wurde die Iranian Biotechnology Society (IBS) gegründet, um die biotechnologische Forschung im Iran zu beaufsichtigen. Das „Razi Institute for Sers and Vaccines“ und das „Pasteur Institute of Iran“ sind führende regionale Einrichtungen in der Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen. Der Iran steht im Bereich der Biotechnologie weltweit auf Platz 12 und in Westasien an erster Stelle. Durch die Herstellung von 22 Biopharmazeutika kann der Iran über eine Milliarde Dollar an Devisen einsparen. Gegenwärtig werden im Land 20 bis 30 Arten von biotechnologischen Arzneimitteln hergestellt, zusätzlich zu Kits, Impfstoffen und Blutprodukten. Außerdem werden 80 Prozent der biotechnologischen Arzneimittel im Inland hergestellt. Die Biotechnologie ist heute in allen Bereichen weit verbreitet und beschränkt sich nicht mehr auf biomedizinische Arzneimittel, so dass sie verletzte Gliedmaßen ersetzt hat. Es waren nur die US-Sanktionen, die das Land daran hinderten, einen angestrebten Anteil von 3 % am weltweiten Biotechnologiemarkt zu erreichen. In der Biotechnologie ist Iran ein fortschrittliches und entwickeltes Land, das über hervorragende Technologien verfügt.

Nach einer Studie von David Morrison und Ali Khademhosseini (Harvard-MIT und Cambridge) gehört der Iran bei der Stammzellenforschung zu den Top 10 der Welt.[5] Der Iran steht bei der Transplantation von Stammzellen weltweit an zweiter Stelle.[6]

Nach der im Jahr 2002 erfolgten Gründung des „Nanotechnology Initiative Council“ (NIC), der die allgemeine Politik für die Entwicklung der Nanotechnologie festlegte und deren Umsetzung koordinierte, hat die Forschung auf dem Gebiet der Nanotechnologie im Iran gewaltig an Fahrt aufgenommen. Iranischen Wissenschaftlern des „Zentrums für medizinische Wissenschaften und Technologie“ gelang im Jahr 2007 die Massenproduktion des Rastertunnelmikroskops. Der Iran hat mehr als 35 Arten fortschrittlicher Nanotechnologie-Geräte entwickelt – Laborgeräte, antibakterielle Schnüre, Kraftwerksfilter und baubezogene Geräte und Materialien.

Bemerkenswerte Erfolge in vielen Wissenschaftsbereichen

Im Folgenden sollen noch einige bemerkenswerte wissenschaftliche Erfolge im Iran  angesprochen werden.

Begonnen werden soll mit medizinischen Errungenschaften. Im Jahr 1993 wurde die erste Herztransplantation im Iran (in Täbriz) durchgeführt, die erste Lungentransplantation 2001 und die ersten Herz- und Lungentransplantationen wurden 2002 durchgeführt, beide an der Teheran University of Medical Sciences. Derzeit werden im Iran routinemäßig Nieren-, Leber- und Herztransplantationen durchgeführt.  Bei Nierentransplantationen liegt der Iran weltweit an fünfter Stelle. Die 3-Jahres-Überlebensrate der nierentransplantierten Patienten betrug 92,9 % und die 40-Monats-Überlebensrate der Transplantatpatienten 85,9 %.[7]

Auch in der Luft und Raumfahrt wurden bedeutende Erfolge erzielt. Der Iran ist das neunte Land, das einen im eigenen Land gebauten Satelliten in die Umlaufbahn gebracht hat, seit die UdSSR 1957 den ersten gestartet hat. Der Iran gehört auch zu den wenigen Ländern der Welt, die in der Lage sind, satellitenbezogene Technologien, einschließlich Satellitennavigationssysteme, zu entwickeln. Der Iran ist weiterhin das achte Land, das Strahltriebwerke herstellen kann.

Der Iran ist in der Lage, alle für seine Gasraffinerien benötigten Teile herzustellen und ist nun das dritte Land der Welt, das die Gas-to-Liquids (GTL)-Technologie entwickelt hat. 

Im Jahr 2001 wurde das „Kompetenzzentrum für Design, Robotik und Automatisierung“  gegründet, um Bildungs- und Forschungsaktivitäten in den Bereichen Design, Robotik und Automatisierung zu fördern. 2010 wurde der „Sorena 2 “-Roboter vorgestellt, der von Ingenieuren der Universität Teheran entworfen wurde. Der Roboter wurde von den Forschern im Hinblick auf die Entwicklungs-, Sprach- und Sehfähigkeiten sowie auf auf eine größere Intelligenz verbessert. Das „Institute of Electrical and Electronics Engineers“ (IEEE) hat den Namen „Surena“ nach Analyse seiner Leistung unter die fünf bedeutendsten Roboter der Welt platziert.

Von 1997 bis 2017 wurden im Iran 34.028 Artikel über künstliche Intelligenz im Land publiziert,   in Bezug auf häufig zitierte Artikel rangiert der Iran in diesem Bereich weltweit auf Rang 8.[8]

Fazit

Der Iran ist keinesfalls das rückständige, mittelalterliche Land, als das es in den deutschen „Qualitätsmedien“ präsentiert wird. Es stellt sich die Frage, warum über die gewaltigen wissenschaftlich-technischen Errungenschaften des Landes de facto nicht berichtet wird. Als Antwort auf diese Frage kommen nur politische Gründe in Betracht. Man will und wird nicht anerkennen, dass dem sogenannten „Mullah-Regime“, wie die Islamische Republik in westlichen Medien“ oft bezeichnet wird, solche Erfolge zugeschrieben werden, denn das würde ja dem Bild widersprechen, das man vom Land sonst zeichnet. Derartige Erfolge stehen auch den westlichen „Regime Change“-Bestrebungen im Wege, denn man muss ja das Land in den schwärzesten Farben malen, um die Menschen gegen das politische System des Landes aufzuwiegeln.

Der Iran befindet sich in vielen Wissenschaftsbereichen scheinbar unaufhaltsam auf dem Weg an die Weltspitze. Die Aufrechterhaltung und Verschärfung von Sanktionen können dies zwar verzögern, diese bieten dem Land aber auch andererseits durchaus Vorteile. Letztlich wird der Iran dadurch erst wirklich unabhängig und lernt, auf die eigene Kraft zu vertrauen. Die Gefahr besteht, dass die USA und ihre willigen Helfer „andere Optionen“ (wie sie US-Außenminister Blinken erst am 29.1.23 wieder völkerrechtswidrig androhte) – wie auch im Hinblick auf China – wahrnehmen, sei es die anvisierte „Syrisierung“ oder die direkte militärische Intervention, um den Aufstieg des Landes zu verhindern.

 

[1] „Iran is top of the world in science growth – science-in-society – 28 March 2011“New ScientistArchived from the original on 5 October 2011. Retrieved 21 October 2011.

[2] „30 years in science: Secular movements in knowledge creation“ (PDF). Science-Metrix. 31 August 2015. Archived from the original (PDF) on 13 September 2012. 

[4]Iran science production shows world’s fastest growth“. 28 July 2018. Archived from the original on 28 July 2018. Retrieved 28 July 2018.

[5] Die Studie ist im Internet hier zu finden: https://web.archive.org/web/20081002222401/http://isg-mit.org/projects-storage/StemCell/stem_cell_iran.pdf

[6] „Fars News Agency: Iran Ranks 2nd in World in Transplantation of Stem Cells“. English.farsnews.ir. 28 April 2012.

[7] Experimental and Clinical Tranplantation“. Ectrx.org. Archived from the original on 26 July 2011. 

[8]     https://www.tehrantimes.com/news/439876/Iran-ranks-8th-for-top-papers-in-AI

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