Der fünfte Stern am Himmel des Imamats ist Imam Muhammad Baqir (a). Er ist der fünfte der zwölf Imame und wurde am ersten des Monats Radschab im Jahre 57 nach der Hidschra in Medina geboren – (676 n. Christus).
Sein Beiname ist Baqir ul Ulum – was „Eröffner (auch: Spalter) des Wissens“ bedeutet. Ein anderer Beiname ist Abu Dschafar (Vater des Dschafar).
Ibn Hadschar al Haitami, ein ägyptischer Gelehrter des 16. Jahrhunderts und Anhänger der schafiitischen Lehrrichtung, schreibt in seinem Werk „Sawaiq“: „Sie haben ihn Baqir genannt und dieses Wort ist von Baqara ul Arz abgeleitet, nämlich etwas, das die Erde spaltet und ihren verborgenen Inhalt zum Vorschein holt. Denn auch er hat die verborgenen Schätze des Wissens und die Wahrheiten der Gebote und der Weisheiten und Feinheiten, die den Kurzsichtigen und den Unlauteren verborgen blieben, deutlich gemacht.“
Imam Baqir (a) wurde in einer edlen Familie geboren, denn sein Vater war Imam Sadschad (a), Sohn des Imam Husain (a) und seine Mutter war Fatima, Tochter Imam Hasans und eine edle und belesene Frau.
Imam Sadiq (a) hat laut einer Überlieferung folgende Begebenheit wiedergegeben:
Einmal hat der Prophet des Islams (Gottes Segen sei auf ihm) zu einem seiner gottesfürchtigen Gefährten, nämlich Dschabir ibn Abdullah Ansari gesagt: „O Dschabir! Gott wird dir ein langes Leben bescheren, bis du meinem Nachkommen Mohammad ibn Ali ibn Al-Husain begegnest, der in der Thora Baqir genannt wird. Grüße ihn von mir! “
Die Vorhersage des Propheten (s) ging in Erfüllung: Nachdem Dschabir sowohl das Imamat Alis (a) und Imam Hasans (a) und Imam Husains erlebte hatte, hat er zur Zeit des Imamats von Imam Sadschad (a) Imam Baqir gesehen. Er begegnete ihm im Hause seines Vaters. Dschabir war sofort beeindruckt von dem Verhalten Imam Baqirs, der noch ein Kind war. Da fielen ihm die Worte des Propheten ein, und er fragte Imam Sadschad, wie das Kind heißt. Der Imam erwiderte: „Muhammad Baqir!“ Der betagte Dschabir verlor die Fassung. Aufgeregt sprang er auf und umarmte Imam Baqir (a). Er küsste ihn und sagte: „Mein Leben sei dir geopfert. Ich soll dir von deinem Vorfahren, dem Gesandten Gottes Frieden wünschen, denn er hat dir den Friedensgruß geschickt.“ Mit Tränen in den Augen sagte Imam Baqir (a): „Friede sei meinem Vater, dem Gesandten Gottes (s), solange wie die Himmel und die Erde bestehen. Und auch dir, o Dschabir, sei Friede, weil du mir den Friedensgruß des Propheten (s) überbracht hast. “
Wenige Jahre nach der Geburt von Imam Baqir (a) ereignete sich die große Tragödie von Aschura. Imam Baqir (a) war keine vier Jahre alt und in diesem wichtigen Abschnitt des Lebens, in dem der Geist besonders geprägt wird, war er Zeuge eines der bittersten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit. Er hatte noch die schrecklichen Szenen von Aschura vor Augen, als sich das nächste erschütternde Massaker in Form des brutalen Angriffs der Soldaten des Yazid auf Medina und Mekka abspielte.
Während des 34-jährigen Imamats seines Vaters, Imam Sadschad (a), hat Imam Baqir immer wieder die Willkür und Gewalt der umayyadischen Herrscher erlebt und gesehen, wie diese danach strebten, den wahren Islam des Propheten (s) und die Anhänger Alis zu vernichten. Aber Imam Baqir (a) war auch Zeuge davon gewesen, wie sein Vater Imam Sadschad (a) sich für den Islam einsetzte. Er hatte gesehen, dass dieser das Wesen der islamfeindlichen Umayyaden enthüllte und erlebt, wie er mit Hilfe seiner Bittgebete in gewisser Weise die wahren Lehren des Islams an die Gesellschaft weitergeben konnte. Alle diese Erfahrungen lieferten eine neue Ausgangsbasis für das Imamat Imam Baqirs, zumal zu der Zeit die Macht der Umayyaden sich ihrem Ende zuneigte, es überall Aufstände gab und die umayyadischen Kalifen ständig wechselten. Imam Baqir lenkte 19 Jahre lang die muslimische Gemeinde und in diesen 19 Jahren, regierten nacheinander 5 verschiedene Kalifen, nämlich Walid ibn Abdulmalik, Solaiman ibn Abdulmalik, Umar ibn Abdul aziz, Yazid Ibn Abdulmalik und Hischam ibn Abdulmalik.
Imam Baqir (s) nutzte diese Situation so gut er konnte, um die Basis für eine Kulturrevolution zu schaffen. Die Verwirklichung dieses Zieles erforderte erstens, dass er die wahren, lebensspendenden schiitischen Lehren vorstellt und zweitens Persönlichkeiten ausbildet, die effektiv zur Verbreitung der edlen schiitischen Überzeugungen beitragen. Zugleich musste er die Eigenschaften eines wahren Anhängers der Familie des Propheten und das Wesen der Schein-Anhänger insbesondere der Abbasiden klarstellen. Letztere hatten mit heuchlerischen Sprüchen den Schauplatz betreten.
Dass diese strategischen Schritte des Imams notwendig waren, wird uns bei einem Blick auf die frühe Geschichte des Schiitentums, der Anhängerschaft Imam Alis (a), klar. Wir sehen nämlich wie wenig die Mehrheit der Bevölkerung den schiitischen Glauben kannte, da er durch die Neuerungen und falschen Rechtsurteile seitens der Machtgierigen Umayyaden und ihrer Handlanger an den Rand gedrängt worden war. Die Umayyaden hatten ihre Feindschaft so weit getrieben, dass man im Laufe der 50 Jahre nach der Berufung des Propheten, den von ihm ernannten Nachfolger Ali (a) nach den Pflichtgebeten verfluchte, den Prophetenenkel Imam Hasan (a) vergiftete und auf seinen Leichnam mit Pfeilen schoss. Den zweiten Enkelsohn des Propheten Imam Husain (a) hatte man in Karbala ermordet und seinen Sohn Imam Sadschad als Kriegsgefangenen abgeführt. Die Umayyaden waren bestrebt, ihre Macht auszudehnen und versuchten zu verhindern, dass die wahren Anhänger des Islams und Imam Alis (a), die Schiiten, etwas gegen sie unternehmen.
Während die Umayyaden und Abbasiden sich um die Macht stritten, leitete Imam Baqir (a) eine Kulturrevolution zur Wiederbelebung der schiitischen Lehren in die Wege. Es gelang ihm in diesem Zusammenhang große Gelehrte um sich zu versammeln und den wahren Islam zu verbreiten und seine Vernichtung zu verhüten.
Nachdem Sie sich ein ungefähres Bild von der politischen Situation zur Zeit des Imam Baqirs (a) gemacht haben, möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf die Maßnahmen dieses Imams zur Wahrung des Islams des Propheten (s) lenken. Angesichts der Tatsache, dass die Umayyaden während ihrer hundertjährigen Herrschaft nichts unterlassen hatten, um das Ansehen von Imam Ali (a) und seinen lauteren Nachkommen zu schädigen, bestand der erste wichtige Schritt des Imams darin, dem Volke den hohen Rang des Imamats begreiflich zu machen. Als zweites hat Imam Baqir (a) an die Pflicht, den Nachkommen des Propheten Liebe zu erweisen, erinnert, zu der Gott laut Vers 23 der Sure (Schura) anhält. Dort heißt es: „(Prophet!) Sag: Ich verlange von euch keinen Lohn für meine Sendung, es sei denn die Liebe zu meinen Verwandten.“ Gestützt auf diesen Gottesbefehl hat Imam Baqir (a) verkündet: Die Grundlage der Religion ist die Liebe zu uns, der Ahlul Bait – dem Haus des Propheten“. Laut einer weiteren Überlieferung von ihm heißt es: „Liebt Gott und liebt uns, die Ahl-ul Bait, wegen dem Befehl Gottes und des Propheten Gottes.“
Der fünfte Imam hat die Bedeutung der Liebe zum Prophetenhause hervorgehoben, indem er erklärte, dass die Liebe zu der Ahl-ul Bait die Voraussetzung für die Annahme guter Werke ist, und zwar hat er gesagt: „Sollte jemand die Nächte bis zum Morgen in Andacht verbringen und sein ganzes Leben lang fasten, alles was er besitzt für Gottes Sache spenden und bis ans Lebensende jedes Jahr auf die Hadschreise gehen, jedoch keine Freundschaft zu uns, die wir die Statthalter Gottes sind, hegen und uns nicht folgen, dann wird er all das was er getan hat, umsonst getan haben und darf keinerlei Lohn von Gott erwarten.“
Der Imam hat die Liebe zu dem Haus des Propheten deswegen hervorgehoben, weil er die gegenläufigen Bemühungen der Machtgierigen kannte, die die Liebe zu der Ahl-ul Bait in den Herzen der Menschen auslöschen wollten. Er hatte erlebt, dass man hasserfüllt seinen Großvater Husain ibn Ali (a) und seine treuen Helfer in Karbala getötet hatte. Imam Baqir (a) wusste dass verdorbene Gelehrte sich von den Umayyaden bestechen ließen, damit sie gefälschte Überlieferungen erfanden, in denen Imam Ali und die Ahl-ul Bait verunglimpft werden. Diese verantwortungslosen Gelehrten hatten auf Befehl Muawiyas diese falschen Überlieferungen schon den Kindern beigebracht um die Saat des Hasses gegen das Prophetenhaus zu streuen. Der Imam verspürte, dass es dringend notwendig war, dieser giftigen Propaganda des Feindes ihre Wirkung zu nehmen, in dem er die Lügen aufdeckt und hervorhebt, dass Gott die Muslime im heiligen Qur´an dazu verpflichtet hat, der Ahl-ul Bait Liebe zu erweisen.