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Frauen-, Mutterbilder in Goli Taraghis Erzählungen im Rahmen der Auswanderung

Faranak Hashemi | Viele der Erzählungen der iranischen Schriftstellerin Goli Taraghi befassen sich unter anderem mit ihren persönlichen Lebens- und Kindheitserinnerungen. Vor allem die Erzählungen aus „Zerstreute Erinnerungen“ (خاطره‌های پراکنده) sind eine Art Autobiographie. Indem die Schriftstellerin in der Vergangenheit Zuflucht sucht, versucht sie den Problemen des Lebens in der Fremde zu entrinnen und diese zu vergessen[2]. Sie kehrt in ihren Erzählungen in die Vergangenheit zurück und stellt die schönen vergangenen Tage, sowie Reisen, in einem neuen Licht dar. Sie setzt sich auch mit dem Thema „Revolution“ auseinander und mit den daraus resultierenden Veränderungen und Gegebenheiten, dazu gehören unter anderem „Auswanderung und Leben in der Fremde“. Heimweh und Fremde werden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und Goli Taraghi versucht auf Grund ihrer Erfahrungen, neuen Wahrheiten Ausdruck zu verleihen.

Ein Groβteil der Protagonisten in ihren Erzählungen sind Frauen. Sie müssen sich überwiegend nach dem traditionellen iranischen Frauenbild verhalten, gehorsam sein und sich in allen Lebenslagen unterordnen. Viele dieser Frauen werden in unterschiedlichen Situationen, direkt oder indirekt, mit dem Thema Auswanderung konfrontiert. Die Art wie sie dargestellt werden und unter den veränderten Umständen handeln und versuchen sich dem Neuen anzupassen, soll neben Aspekten der „Migrantenliteratur“ in diesem Artikel dargestellt werden, da die Werke von Goli Taraghi zu dieser Gruppe der Literatur gezählt werden. In vielen ihrer Erzählungen und Romanen beschreibt sie verschiedene Aspekte der Migration und Auswanderung[3]. Die Frauenrollen und deren Reaktionen gegenüber dem Zwang, der ihnen aufgebürdet wird, werden am Beispiel dreier Frauen aus drei Erzählungen sowie anhand von Textpassagen und entsprechenden Erklärungen dargestellt.

Dieser Artikel wird nach dem “Quellen untersuchendem Vorgehen“ bearbeitet, was für literaturwissenschaftliche Themen üblich ist. Dabei werden drei Erzählungen von Goli Taraghi als Primärquellen untersucht, die das Korpus für diese Untersuchung bilden. Es wird je eine kurze Zusammenfassung zu den Erzählung und anschlieβend eine Beschreibung zu den jeweiligen Hauptfiguren gegeben. Daraufhin wird die dargestellte allgemeine Sachlage und die Situtauion der Hauptfiguren genauer untersucht, analysiert und interpretiert. Zudem wird begründet, warum gerade diese Erzählungen in das Korpus aufgenommen und diese bestimmten Hauptfiguren in Betracht gezogen wurden. Anhand Interpretationen und dem Vergleich der Situationen mit der Theorie und Bedeutung der am Anfang erläuterten „Migrantenliteratur“ wird versucht genauer darzustellen, welche Position diese Erzählungen der iranischen Schriftstellerin Goli Taraghi in der genannten Kategorie der Literatur inne hat.

Forschungsgeschichte

Zu dem Thema Frauen und „Migrantenliteratur“ in der persischen
Literatur und dessen Aspekte hat Mirabedini (1387/2008)[4] eine
ausführliche Arbeit verfasst. Auch Daghighi (1383/2004)[5], Dastgheib (1383/
2004)[6], Rahimiye (1383/2004)[7] und Zarlaki (1389/2010)[8] haben sich mit dem Thema befasst.

Was genau versteht man unter „Migrantenliteratur“?

Im Sachwörterbuch der Literatur steht die Erklärung zur „Migrantenliteratur“ unter „Ausländerliteratur“ als

methodisch angreifbare Sammelbezeichnung für die in deutscher Sprache verfaβte Literatur von Autoren nichtdeutscher Muttersprache, die als Emigranten, Asylanten, Gastarbeiter oder ursprünglich Studenten im deutschen Sprachraum leben und bei groβer sozio-kultureller Bandbreite zur Vielfalt moderner Literatur beitragen […]. Sie umfaβt sowohl die bereits vor der Übersiedlung nach Deutschland in ihrer Muttersprache arrivierten Autoren […] als auch solche, die erst durch Migrantenstatus, teils in der 2. Generation, aus dem Erleben der Fremde zum Schreiben gelangten und dann meist gleich deutsch schrieben […] oder zuerst in deutscher Übersetzung publizierten. […][9].

Der Brockhaus „Literatur“ gibt eine ähnliche Erklärung:

Sammelbegriff für literarische Werke, deren Autoren nach dem meist endgültigen Verlassen des Heimatlandes und der Lösung aus
ihrem kulturellen und sprachlichen Umfeld in der Sprache des Ziellandes schreiben oder ihre Texte in diese übersetzen oder übersetzen lassen […]. Zentrale Themen sind u.a. Arbeitsemigration, Verlust der Heimat, Kulturschock, Einsamkeit und und Entfremdung, Kommunikationsschwierigkeiten, die besonderen Lebensbedingungen von Frauen und die Diskriminierung.[…][10].

Im Schülerduden – Literatur ist der Begriff ein wenig anders definiert:

Bezeichnung für die Literatur von Zuwanderern in der Sprache des Ziellandes. Im Unterschied zu Exilliteratur wird der Begriff in der jüngeren Zeit für Literatur verwendet, die nach dem meist endgültigen Weggang ihrer Verfasser aus dem Heimatland entstanden ist. Nicht das Trauma der Auswanderung, sondern die Einwanderung mit ihren damit verbundenen Problemen steht hier im Zentrum. […] Zentrale Themen der Migrantenliteratur sind u.a. Verlust der Heimat, der Kulturschock und die Diskriminierung.[11]

Zu diesen Themen setzt der DUDEN – SMS- Deutsch auch noch „Entfremdung“ und „die besonderen Lebensbedingungen der Frauen“ hinzu[12].

Beide DUDEN geben als Zusatzinformation an, dass sich diese Art von Literatur in Deutschland bereits in den 1970er Jahren entwickelt hat und da sich zu der Zeit viele Gastarbeiter in Deutschland ansiedelten, wurde der Begriff „Gastarbeiterliteratur“ dafür verwendet[13]. Die Erläuterungen in den deutschen Lexika beziehen sich auf die deutsche Sprache und Literatur, sind aber im Prinzip auf alle Sprachen und Länder und auch Personen zu verallgemeinern, die die Erfahrung mit Auswanderung und Migration und deren Folgen haben.

Auch Photong-Wollmann[14] erläutert in ihrer Dissertation über Migrantenliteratur den Begriff ‘Migrant’, den sie in ihrer Arbeit an Stelle von „ausländische Bürger” zu gebrauchen bevorzugt. Dieser Terminus wird für diejenigen gebraucht, die „nichtdeutsche Staatsangehörigkeiten besitzen, die aber in Deutschland wohnhaft sind. Er umfaßt somit ausländische Arbeitnehmer, eingewanderte Intellektuelle und politische Emigranten […]. Als ‘Migrantenliteratur’ wäre also ganz allgemein die von Migranten verschiedener nationaler, ethnischer, sozialer oder kultureller Herkunft verfaßte Literatur zu verstehen.”[15].

 

http://spektrum.irankultur.com/wp-content/uploads/2020/12/05-Frauen-Mutterbilder-in-Goli-Taraghis-Erz%C3%A4hlungen-im-Rahmen-der-Auswanderung.pdf

[1] Assistenzprofessor an der Allame Tabataba’i University, Teheran, Iran, E-mail: f.hashemi@atu.ac.ir.

[2] Mirabedini, Hasan (1387/2008): Hundert Jahre iranische Erzählungen [Sad sāl dāstān newisi-ye Iran]. Bd. III. & IV. Teheran: Cheshme. 5. Aufl S. 1429.

[3] Vgl. Hierzu Mirabedini 1387/2008: 936.

[4] Vgl. Hierzu Mirabedini 1387/2008.

[5] Daghighi, Mojdeh (1383/2004): Der Schreibstil muss wie eine Kleidung am Körper des Lesers sitzen [Nasr bāyad mesle lebās be tan-e Khānande beravad]. In: Goli Taraghi (Rezensionen und Untersuchungen der Werke) [Goli Taraghi (Naghd wa barresi-ye Āsār)]. «Māhnāme Zanān. 10 Jahrgang. Nr.76 (Khordad 1380) S.28-34. Übernommen: Hrsg. Ali Dehbāshi, Mahdi Karimi. Tehran: Ghatre. S.192-211.

[6] Dastgheib, Abdolali (1383/2004): Schreiben über die Schmerzen und Freuden der Frauen [Neweshtan az dardha wa shadihaye zanan]. In: Goli Taraghi (Rezensionen und Untersuchungen der Werke) [Goli Taraghi (Naghd wa barresi-ye Āsār)]. «Nashriye Niki, 1. Jahrgang. Nr. 3. 01.12.1380. Übernommen: Hrsg. Ali Dehbāshi, Mahdi Karimi. Tehran: Ghatre. S.392-401.

[7] Rahimiye, Nasrin (1383/2004): Ein Gefühl von Zauber, Wunsch und Sehnsucht. [Hessi az Jādu, Ārezu wa Hasrat]. In: Goli Taraghi (Rezensionen und Untersuchungen der Werke) [Goli Taraghi (Naghd wa barresi-ye Āsār)]. «Majale Kelk. Nr. 67. Mehr 1374. S. 345-350». Übernommen: Hrsg. Ali Dehbāshi, Mahdi Karimi. Tehran: Ghatre. S. 353-356.

[8] Zarlaki, Shahla (1389/2010): Trance der Erinnerungen – Analyse und Untersuchung der Werke von Goli Taraghi [Khalse Khāterāt- Tahlil wa barresi-ye āsār-e Goli Taraghi]. Tehran: Niloufar.

[9] Wilpert, Gero von (2001): Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart: Kröner. 8. Erw. Aufl. S.58.

[10] Brockhaus (O. J.): Literatur – Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe. Hrsg. Von der Lexikonbearbeitung des Verlags F.A. Brockhaus. Mannheim: F.A. Brockhaus. 2. Völlig neu bearb. Aufl. S. 547f.

[11] DUDEN (2000): Schüler DUDEN – Literatur. Mannheim/Leipzig/u.a.: DUDENVERLAG. 3. neubearb. Aufl. S.248f

[12] DUDEN (2008): DUDEN Zentralabitur. .SMS –Schnell-Merk-System. Deutsch: Abiwissen. PrüfungsaufgabenBerlin/Mannheim/u.a.: Duden Schulbuchverlag. 2. Aktualisierte und erw. Aufl. S. 105.

[13] Vgl hierzu DUDEN, 2000: 249 und DUDEN, 2008: 105.

[14] Photong-Wollmann, Pimonmas (1996): Literarische Integration in der Migrationsliteratur anhand der Beispiele von Franco. Dissertation Universität Siegen.

[15] Vgl. hierzu Photong-Wollmann 1996: 40ff.

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